Bei den Golden Globes räumte „Transparent“ Anfang Januar bereits ab und katapultierte Amazon Studios damit auf Augenhöhe mit Wettbewerber Netflix. Der wurde zuvor schon weltweit für „House of Cards“ gefeiert. Mit dem Golden Globe für die beste Serie (Musical oder Comedy) und einem persönlichen Golden Globe für Hauptdarsteller Jeffrey Tambor wurden die TV-Ambitionen von Amazon auch inhaltlich schlagartig ernstgenommen. Die 67th Primetime Emmy Awards könnten diesen Erfolg krönen. Insgesamt elf Nominierungen und gleich zahlreiche davon auch in den Königskategorien, die in der eigentlichen TV-Preisverleihung der Emmys vergeben werden.

Die in halbstündigen Episoden erzählte Geschichte einer Familie in Los Angeles, deren Vater Mort sich im hohen Alter als transsexuell outet - und fortan als Frau leben will. Das bringt seine Familie auf unerwartete Art und Weise wieder zusammen - schließlich hatten die drei längst erwachsenen Kinder mehr oder weniger ihren eigenen Weg im Leben gefunden und seine Ex-Frau Judith ebenso. Wenn Vater plötzlich Mutti wird - und der Ex-Mann zur Frau - dann wirft das Fragen auf. „Transparent“ traut sich, das sicher noch nicht enttabuisierte Thema Transsexualität in allen Facetten darzustellen - und nicht ein plattes Plädoyer zu halten.

Auch wenn die Serie mit dieser Storyline einen sehr markanten Aufhänger hat, so überraschte die zehn Folgen umfassende erste Staffel mit einer erfreulich glaubhaften, ruhigen und berührenden Erzählung der Familie Pfefferman. Das Outing des Vaters erscheint bei dieser Familie voll von komplexen Charakteren beinahe beinahe nebensächlich. Im besten Sinne ist „Transparent“ ein herausragender Vertreter des ansonsten gerade nicht stark besetzten Genres der amerikanischen Familienserie - im Sinne von Familien-Saga.

Man weiß gar nicht, wem man den Emmy bei diesem Meisterwerk mehr gönnen soll: Jeffrey Tambor, Gaby Hoffmann (spielt die jüngste Tochter Ali) oder Bradley Whitford (Gastrolle) für ihre Leistungen vor der Kamera oder Serien-Schöpferin Jill Soloway, die für Ihre Regiearbeit und das Drehbuch nominiert ist. Darüber hinaus ist die Serie in den Kategorien Casting, Costumes, Main Title Theme Music, Production Design und Single-Camera Picture Editing im Rennen um einen Primetime Emmy. Eine halbwegs gute Ausbeute würde „Transparent“ für Amazon Studios und Amazon Prime Instant Video zu dem machen, was „House of Cards“ für Netflix war: Das eine Prestige-Projekt, das die inhaltlichen Ambitionen eines jungen Anbieters im Fernsehgeschäft demonstriert.