Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ladies and Gentleman. Get ready to rumble. Ich begrüße Sie zum Kampf des Jahres. Es geht um alles. Die Gegner wollen Blut sehen, und einer wird am Ende zu Boden gehen.

In der linken Ecke sehen Sie Ruuuuuuuuuuth Hieronymi. Als Europaabgeordnete hat sie bewiesen, dass einem guten Punch immer auch ein raffiniertes Tänzeln vorausgehen muss. Noch kann sie keine KO-Siege vorweisen, aber sie ist gefürchtet als eine, die ihren Gegner zu zermürben weiß. Sie beweist das immer wieder, wenn sie als Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates die jeweilige Intendanz in die Seile schickt.

In der rechten Ecke sehen Sie Vooooooooooolker Herres. Herres ist bekannt als Erfolgsmodell aus der gefürchteten Apparatschik-Schule. Dort hat er gelernt, wie man die Angriffe des Gegners abperlen lässt. Er hat auch gelernt, wie eine weiche, auf nichts wirklich festlegbare Figur zum schwer zu treffenden Ziel wird. Mit einem wie in die Gesichtszüge eingemeißelten Grinsen weiß er zusätzlich zu verunsichern. Das kommt ihm zugute in diesen Tagen, da er als Programmdirektor für den ARD-Saustall antritt.

Gong. Ring frei zur ersten Runde. Herres tänzelt auf Hieronymi zu. Er tut nichts, was ihn irgendwie festnageln könnte. Er grinst, er dribbelt mit einem unsichtbaren Ball, er umrundet seine wohlgenährte Gegnerin. Die hält sich zurück, setzt auf Defensive. Nur nicht zu früh in Vorlage kommen, fein das Standing wahren. Etwas ermüdend das Prozedere. Gong.

Gong. Ring frei zur zweiten Runde. Jetzt setzt Herres auf Attacke. Er prescht nach vorne und spuckt seiner Kontrahentin seine Meinung quasi ins Gesicht. „Mit Boxen holen wir auch die jungen Zuschauer, die wir sonst nicht haben, vor den Fernseher“, sagt er. Das sollte sitzen. Aber nicht bei einer wie Hieronymi. Die hat Herres und seine Taktik studiert und kennt seine Standardschläge. Hieronymi bleibt auf Distanz. Gong.

Gong. Ring frei zur dritten Runde. Herres scheint verwirrt. Offenbar irritiert ihn nachhaltig, dass sich Hieronymi nicht verunsichern lässt durch sein Junge-Menschen-Argument. Für einen Moment wirkt er unaufmerksam. Einen Moment zu lange. Wumms platziert sie einen Volltreffer mitten in sein Grinsen. "Einstieg in den Ausstieg“, sagt sie. Nein, sie sagt es nicht, sie haut es Herres förmlich um die Ohren. Während er noch taumelt, schiebt sie ein paar Tätscher nach. „Boxen ist kein Sport“, „undurchsichtige Machenschaften“, „Verrohung“, lauten die. Und die sitzen. Herres taumelt. Gong.

Gong. Ring frei zur vierten Runde. In der Pause haben sich einige quotensüchtige Intendanten um Herres gescharrt, also quasi fast alle. Sie haben auf ihn eingeredet als könnten sie ihm damit neue Kampfkraft einflößen. Offensichtlich geht das Kalkül auf. Kaum steht Herres seiner Kollegin gegenüber, holt er die Quotenkeule raus. „Mit Boxen holen wir Mörderzuschauerzahlen“, sagt er. Hui, da wackelt Hieronymi. Eigentlich hätte sie vorbereit sein müssen auf diese Standardsituation. Tausendfach hat sie die mit der Laienspielgruppe aus dem Rundfunkrat durchgespielt, und stets wusste sie, angemessen zu kontern. Jetzt aber wirkt sie konsterniert. Wahrscheinlich ist ihr der kleine Erfolg aus Runde drei zu Kopf gestiegen. Schnell schiebt sie noch ein „Bekräftigung der Position des Rundfunkrates“ hinterher. Aber es hilft nicht wirklich. Sie wirkt jetzt wie eine Gejagte. Gong.

Gong. Ring frei zur fünften Runde. Herres hat Oberwasser, keine Frage. Hieronymi wirkt nicht nur angeschlagen, sie ist es auch. Herres weiß, dass er die Zahlen hinter sich hat und damit alle, die vor allem an Zahlen glauben, also quasi die halbe ARD. Hieronymi hat nur die Moral hinter sich. Das ist im Moment zu wenig. Zudem sieht sie hinter Herres sogar jene sich tummeln, die sonst gerne reflexhaft über die Zwangsgebühr maulen, aber begeistert mit am Start sind, wenn man im Fernsehen zusehen kann, wie sich zwei auf die Fresse hauen. Gong.

Gong. Ring frei zur sechsten Runde. Herres wirkt frischer denn je. Man spürt, dass er in der Pause für Verstärkung gesorgt hat. Nun bringt er die Wucht der Sportberichterstatter mit ein. Die halten Boxen naturgemäß für Sport und maulen nun, dass die ARD das bisschen Geld für die Gewaltausüber im Ring doch mal locker über haben müsste, von wegen Zwangsgebühren und so. Sie wissen sehr genau, dass die Bedeutung einer Sportart mit der Fernsehübertragung steht und fällt. Wird Boxen nicht mehr übertragen, wackelt auch die Bedeutung der zuständigen Sportberichterstatter. Deshalb treten auch sie zur finalen Schlacht an und beschimpfen die ARD pauschal. Beifall auf den Rängen. Man will Blut sehen. Das hat schon im alten Rom funktioniert. Gong.

Gong. Ring frei zur siebten Runde. Hieronymi will es nochmal wissen. Sie hat sich vom Rundfunkrat coachen lassen in der Pause. Jetzt will sie das eben Aufgesaugte anwenden. „Genehmigungspflicht für Verträge über zwei Millionen“, sagt sie. Das aber hat Herres kommen sehen. Er weicht aus, sucht sich einen Allgemeinplatz und schaut kurz auf die ihn unterstützenden Intendanten rund um den Ring. Er weiß, dass die in derselben Quotenkirche beten wie er. Sie wollen, dass er Hieronymi den finalen Treffer verpasst. Sie wollen Blut. Auch und gerade als Zeichen, dass man sich als Senderchef von diesen Rundfunkräten nicht alles vorschreiben lässt. Sie haben in der Quotenkirche über die Jahre gelernt, wie man Qualität predigt und Quote meint. Ihr Glaube ist die große Zahl. Das weiß auch Herres, der kurz vor dem Rundenende noch einmal aufbraust. „Dann schließen wir eben nur noch Einzelverträge für Boxveranstaltungen ab, die dann unter zwei Millionen liegen und nicht genehmigungspflichtig sind“, sagt er und schleudert diesen Satz in Hieronymis Richtung. Hieronymi ist getroffen, taumelt. Sie blutet. Schon will der Ringrichter sie anzählen, da naht Rettung. Gong

Gong. Ring frei zur achten Runde. Hieronymi hat sich erholt. Sie prescht nach vorne. „Öffentlich Stimmungsmache“, sagt sie. Herres ist getroffen, wankt kurz. „Moral“, schiebt Hieronymi ihm zusätzlich unters Kinn. Nun blutet auch Herres. Aber kein Grund, das öffentliche Schlachten abzusagen. Eine Entscheidung scheint kurz bevor zu stehen…

Entschuldigung, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber an dieser Stelle müssen wir die Übertragung vom Kampf Herres gegen Hieronymi leider abbrechen. Eine Abordnung von Rundfunkräten hat die Sendezentrale besetzt. Zur Zeit finden auf den Gängen schwere Auseinandersetzungen zwischen Räten und proboxischen Kampfgruppen statt. Mehrere ARD-Beschäftigte wurden schon von Argumenten wie „Quote“ und „Moral“ erschlagen. Wir berichten weiter, wenn dpa uns mitgeteilt hat, was hier los ist…