Moderator: "Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, willkommen zu unseren Nachrichten. Wir schalten jetzt gleich mal live zu unserem Korrespondenten Dagobert Sehfiel in Washington, den Sie jetzt hinter mir wartend eingeblendet sehen. Der steht natürlich vor dem Weißen Haus. Das heißt: Er steht nicht direkt vor dem Weißen Haus. Er steht halt so, dass man hinter ihm das Weiße Haus sehen kann. Damit wollen wir zeigen, dass wir ganz nah dran sind am Geschehen, dass wir quasi live dabei sind, wenn die wichtigen Entscheidungen gefällt werden. Wir sagen damit, dass wir einen Mann vor Ort haben, der sich auskennt. Momentan sieht unser Mann allerdings noch etwas derangiert aus, weil er einfach nur wartend in die Kamera glotzt und auf Rotlicht wartet.

Dagobert, was können Sie uns berichten aus dem Weißen Haus?" (Kurze Pause, denn der Korrespondent muss erst hören, was über den Knopf in seinem Ohr an ihn herangetragen wird).

Dagobert: "Nun ja, ich kann Ihnen herzlich wenig Neues sagen. Im Prinzip kann ich nur nacherzählen, was Sie in der Heimatredaktion ohnehin aus den Agenturen und aus Ihrem Twitter-Account wissen. Ich trage das jetzt also nochmal vor und lege dabei so einen Hauch von Informiertheit in meine Stimme, die suggeriert, dass ich noch viel mehr weiß."

Moderator: "Dagobert, man erzählt sich, dass im Weißen Haus gerade wichtige Entscheidungen gefallen sind. Können Sie uns da etwas mehr berichten?"

Dagobert: "Na klar, ich habe ja auch Spiegel Online als Lesezeichen gesetzt. Ich erzähle Ihnen jetzt also genau das, was ich da gerade gelesen habe, während Sie zwischendrin die Fragen vorlesen, die ich Ihnen vorab mailen musste, damit Sie beim Interview schwer schlau und informiert wirken. Wir führen hier also ein weiteres Stück aus dem formatierten Nachrichtenstadl auf. Dabei tue ich wichtig und achte vor allem darauf, dass das Mikrofon mit dem Senderlogo auf dem Schaumstoffüberzug gut im Bild ist. Und natürlich darauf, dass ich selbst im Bild bin. Ich habe mir schließlich gerade diesen sündhaft teuren Anzug schneidern lassen. Finden Sie nicht auch, dass mir das Teil hervorragend steht und meine Wichtigkeit noch unterstreicht?"

Moderator: "Das klingt sehr interessant, Dagobert. Es soll ja noch das eine oder andere Problem geben. Welchen Eindruck haben Sie da?"

Dagobert: "Nun ja, die Frage haben Sie fein abgelesen. Ich sage mal so: Ich habe einen Eindruck, weil Sie ja wollen, dass ich einen Eindruck habe. Dafür schicken Sie mich ja hierhin, finanzieren mir ein irre teures Büro und hoffen dann, dass ich Ihnen exklusive Informationen in den Schalten liefere."

Moderator: "Genau so ist es, Dagobert. Wie wäre es, wenn Sie das mal täten? Was haben Sie denn nun exklusiv zu berichten?"

Dagobert: "Gut, dass Sie fragen. Ich war gerade in Florida und habe da Alligatoren gesehen. Die sahen echt gefährlich aus. Da habe ich unter Einsatz des Lebens meines Kameramanns sofort ein paar Nahaufnahmen angeordnet. Da sind tolle Bilder entstanden, die ich demnächst mit einem bedeutungsschwangeren Text unterlege und die Bestien dann vergleiche mit den Politikern in Washington. Ist schon echt ein harter Job hier."

Moderator: "Das klingt hoch interessant, Dagobert. Schönen Dank für diese ausdrücklichen Eindrücke aus Washington. (Das Bild von Dagobert Sehfiel verschwindet.)

Meine Damen und Herren, wir schalten jetzt nach Moskau zu unserem Korrespondenten Klausfritz Fielweiß. Zwar ist, wie wir aus den Agenturen wissen, in Moskau gerade nichts los, aber eine Schalte lohnt schon deshalb, weil Klausfritz immer so schön dämlich aussieht mit seiner Fellmütze. (Klausfritz Fielweiß wird hinter dem Moderator eingeblendet und schaut erwartungsvoll vor Moskauer Kulisse in die Kamera.) Klausfritz, was können Sie uns aus Moskau berichten?"

Klausfritz: "Nun ja, eigentlich nichts. Da Sie mich aber zu nachtschlafener Zeit hier noch im Dienst halten, erzähle ich Ihnen jetzt, was Sie eh schon wissen und weise zwischendrin in die Moskauer Nacht und erwähne, dass Wladimir Putin möglicherweise seine Finger in der Angelegenheit mit drin hat, dass sich das aber nur schwer beweisen lässt. Hauptsächlich aber schaue ich ein bisschen aufgewühlt in die Kamera, damit die Zuschauer annehmen, ich käme gerade von einer anstrengenden Recherche aus Hintersibirien zurück."

Moderator: "Das klingt ja interessant, Klausfritz. Können Sie denn schon ausmachen, welchen Einfluss das auf die Beziehungen zu Washington haben könnte?"

Klausfritz: "Keine natürlich. Was soll das schon für eine Auswirkung haben, wenn ich mir hier den Arsch abfriere, um Ihnen zu erzählen, was jeder bei Spiegel Online nachlesen kann? Das könnten Sie doch ganz fein auch selber aus dem Internet vorlesen und mir hier nicht die Nachtruhe rauben. Wissen Sie was, Sie Flachpfeife? Sie können mich mal. (Reißt die Fellmütze vom blanken Schädel und geht seitlich aus dem Bild.)"

Moderator: "Danke, Klausfritz, für diese profunden Einschätzungen aus Moskau. Sie sehen, meine sehr verehrte Damen und Herren, wir sind immer nah dran. Wir können in die ganze Welt schalten und so tun, als gäbe es von dort etwas zu erzählen. Dabei wissen wir natürlich, dass es vor Ort oft weniger Information gibt als in den Heimatredaktionen, wo die verschiedenen Nachrichtenströme zusammenfließen, während die armen Korrespondenten draußen immer nur ein paar Tröpfchen zum großen Fluss beitragen können. Aber mit der Frage, warum ich so gerne Schalten zu Korrespondenten moderiere, verhält es sich wie mit der Frage, warum sich der Hund in den Schwanz beißt? Weil er es kann. In dem Sinne wünsche ich Ihnen eine geruhsame Nacht, von wo immer Sie uns zugeschaltet sein mögen."