Im Vorfeld der Verleihung der 41. International Emmy Awards am Montagabend (New Yorker Ortszeit) diskutierten am Wochenende im Rahmen des dazugehörigen Festivals die Nominierten über ihre Produktionen und die Zukunft des jeweiligen Genres. Das eisige Wetter in New York und die von Jahr zu Jahr gestiegene Bereitschaft zu einem lebendigeren internationalen Programmaustausch füllten die Panels in diesem Jahr ausgesprochen gut. Zukunftsweisende Fragen wurden dabei besonders im Bereich Non-scripted Entertainment diskutiert.



Im Rennen um einen iEmmy ist in dieser Kategorie eine Datingshow aus Israel („Dear Neighbors: Help our daughter find love“), die südafrikanische Adaption von „Masterchef“, die kolumbianische Produktion „Reto al Chef 2“ und das australische Format „Go back to where you came from - Series 2“. Hinter Letzterem verbirgt sich übrigens die Vorlage für die nicht unumstrittene ZDFneo-Produktion „Auf der Flucht“, die im Oktober bereits den Deutschen Fernsehpreis als bestes Dokutainment gewann. Das Spektrum der Nominierten reicht in dieser Kategorie damit von belangloser Unterhaltung bis zum politischen Sprengstoff.

Die israelische Datingshow kommt aus dem Hause Keshet, die gerade weltweit erfolgreich die Rechte an der Castingshow „Rising Star“ verkaufen. Wenn Casting aus Israel und Reality TV aus Australien um die Welt geht, dann unterstreicht das ein schon länger zu beobachtendes Ende der Einbahnstraße zwischen USA und dem Rest der Fernsehwelt. Daran gekoppelt ist laut Alon Shtruzman, Managing Director bei Keshet, ein Ende des Zeitalters globaler TV-Hits. „Wenn es die denn überhaupt gegeben hat“, merkt er an. Es sind große Worte, gelassen ausgesprochen. Mit dem ein oder anderen Raunen im Publikum des International Emmy Festivals.

Dass das komisch klingt aus dem Mund von einem, der gerade „Rising Star“ genau zu dem machen will, ist ihm bewusst. „Das ist vielleicht die Ausnahme zur neuen Regel. Aber ein globaler TV-Markt? Das ist doch Unsinn“, meint Shtruzman. „Fernsehen ist ein lokales Geschäft.“ Auch noch so große TV-Formate können kläglich scheitern, weil es einfach keinen globalen TV-Geschmack gebe und selbst vermeintliche Welterfolge wie „Masterchef“ oder „Survivor“ noch lange nicht weltweit funktionieren. Das können wir in Deutschland bestätigen. Aber auch Donald Clarke kann davon ein Lied singen.

Er produziert das für den iEmmy nominierte „Masterchef South Africa“, aber hatte sich zuvor u.a. auch schon an einer „Survivor“-Version für Südafrika probiert - und ist damit gescheitert. Das in den USA so unfassbar erfolgreiche Format baut im Wesentlichen auf Konflikte innerhalb kleiner Gruppen. Denen würden Südafrikaner aber lieber aus dem Weg gehen und stattdessen gemeinsam Lösungen suchen. Für ein Format, das von Konflikten lebt, ist das ein Todesurteil.

„Das Formatgeschäft ist keine Hilfe für Kreative. Beim  Formatgeschäft geht es um Sicherheit für’s Geschäft der Sender“, stellt Clarke kurz und knapp fest. Hier teilen alle, auch der Australier Michael Cordell, die Sorge vieler deutscher TV-Produzenten: Der Erwerb teurer Lizenzrechte ausländischer Formate ersetzt bei vielen Sendern den Mut eigene Ideen zu entwickeln. Ein international erfolgreiches Format könne Risiko absichern, so der weit verbreitete Glaube.

Doch die Debatte der Nominierten in der Kategorie Non-Scripted Entertainment beim International Emmy Festival offenbart von Minute zu Minute deutlicher einen von den Beteiligten nicht angesprochenen Interessenkonflikt. Lokale Produktionsfirmen wünschen sich - bei uns wie auch z.b. in Israel, Südafrika oder Australien - mehr Gehör und Mut von lokalen Fernsehsendern, aber schielen dennoch längst selbst auf den internationalen Markt wie es beispielweise Keshet derzeit mit „Rising Star“ tut.

Und kaum ein Produzent kämpft ja heute noch allein, ganz ohne internationales Netzwerk. „Bei der MIP in Cannes gab es vor zehn Jahren eine handvoll Formate, heute gibt es an jedem Stand einen ganzen Formatkatalog“, sagt Shtruzman. Auf fremden Märkten werden Produzenten damit jedoch selbst zu denjenigen, die sie auf dem Heimatmarkt gerne selbst verhindern würden: Anbieter von TV-Vorlagen, die woanders funktioniert haben und deshalb die vermeintlich sicherere Wahl sind. So offenbart das International Emmy Festival: Global sind die Probleme der TV-Branche eben doch sehr lokal.