Herr Kühn, ihr Jahr begann mit einer ganzen Reihe von Angriffen. Herr Oettingers Kritik, ein Skandal bei „Big Brother“ und Sex-Werbung im Teletext. Hätte besser starten können oder?

Das Schöne ist ja, dass wir gleich am Jahresanfang die volle Packung bekommen haben. Dann kann das Jahr ja nur noch besser werden (lacht). Nein, die Vorwürfe von Herrn Oettinger waren eine völlig an den Haaren herbeigezogene und unqualifizierte Kritik eines Ministerpräsidenten, die wirklich keiner gebraucht hat. Mich hat deshalb gefreut, dass die Mehrheit der Medien erkannt hat, dass seine Kritik nicht haltbar ist und sie einzuordnen wussten. Ähnlich war es bei den Vorwürfen von „Zapp“. Auch hier haben einige Journalisten den Gesamtzusammenhang beleuchtet und sich nicht ein Detail herausgenommen. Am Ende bin ich mir sehr sicher, dass uns bei beiden Geschichten kein Schaden entstanden ist. Und beim Fall Adrian bei „Big Brother“ haben wir umgehend nach Bekanntwerden des Vorfalls gehandelt. RTL II handelt mindestens so verantwortungsbewusst wie alle anderen Sender.

Also RTL II, das unschuldige Opfer?


Wir dienen offenbar immer noch leichter als Sündenbock als andere Sender. Als ehemaliger Journalist kann ich verstehen, dass es verlockend einfach ist, sich RTL II auszusuchen, wenn man sich an frühere Formate des Senders erinnert. Dieses Image was uns manche Journalisten bescheinigen wollen, haben wir bei den Zuschauern aber längst nicht mehr. Niemand verbindet RTL II noch mit Trash TV und auch die Assoziation Sex und RTL II gibt es nicht mehr. Das ergeben unsere jährlichen Image-Befragungen, die in der Tat vor vielen Jahren anders aussahen.

Das klingt in puncto Kritik fast verständnisvoll...

Fernsehmacher und Journalisten unterscheiden sich in dem Punkt nicht. Wir alle arbeiten mit Bildern. Die einen direkt, die anderen mit denen im Kopf der Leser. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass aus der gesammelten Erinnerung vergangener Jahre heraus, RTL II nicht der schwarze Peter beim Thema Privatfernsehen bleibt.

Wer könnte den Schwarzen Peter denn übernehmen?

Ich würde mir ja manchmal wünschen, dass 9Live erfolgreicher wäre. Dann könnten die diese Rolle übernehmen (lacht).

Wird sich die Marke RTL II denn überhaupt einmal vom früheren Image loslösen lassen?

Ich bin sehr glücklich, dass wir den Imagewandel beim Zuschauer geschafft haben. Und so sehr ich Sie und andere Journalisten enttäuschen muss: Wir machen ein Programm für die Zuschauer und nicht für die Presse. Deswegen freut mich der messbare Imagewandel beim Publikum sehr. Und wir spüren am Feedback, dass die Anstrengungen des vergangenen Jahres wahrgenommen wurden. Das wird irgendwann auch beim letzten Feuilletonisten angekommen sein. Die Süddeutsche hat uns ja bereits mit einer guten Kritik zu „Big Brother“ bedacht, worauf unsere Unterhaltungschefin Julia Nicolas und ich schon befürchtet haben, dass die Quote jetzt bestimmt schlecht werden muss, wenn wir schon das Feuilleton gewonnen haben.

Eine Sendung kann nur gut sein, wenn Hans Hoff draufhaut?

Nein, so weit würde ich nicht gehen (lacht). Aber RTL II macht nun einmal Entertainment und es gab Zeiten, in denen auf Entertainment aus Prinzip draufgehauen wurde. Perfekt ist es natürlich wenn sich Kritiker und Zuschauer einig sind, wie bei „Heroes“.

Ich kam nur drauf, weil Endemol Deutschland-Chef Borris Brandt einmal sagte, ein Programm wäre nur dann gut, wenn sich Kurt Beck darüber aufregt...

Das wäre zu weit gedacht, aber dahinter steckt eine wahre Aussage. Viele unserer Politiker sind sehr weit weg von der deutschen Realität und damit auch sehr weit weg vom Geschmack des deutschen Fernsehzuschauers. Solange wir mehr Bürger als Politiker in diesem Land haben, mache ich lieber Fernsehen für die Bürger als für Herrn Beck oder Herrn Oettinger.
Foto: RTL II
Was hat Sie eigentlich mehr verwirrt. Oettingers Kritik an Ihrem eigenen Sender oder die an Super RTL?

Natürlich hat mich die Kritik an Super RTL noch mehr überrascht, weil damit die Kritik gleich ad absurdum geführt wurde. Ich war mir nicht sicher ob die Kollegen bei Super RTL eher gelacht oder geweint haben.

Stichwort Super RTL: Dort gab es kürzlich einen Relaunch. Wie sieht es bei Ihnen aus? Verzichtet RTL II auch weiterhin auf einen Claim?

Wir sind derzeit an einem Punkt, an dem wir uns fragen, wozu man eigentlich einen Claim braucht. Unser Logo ist inzwischen zu einer Marke geworden, die für sich steht. Und solange das Programm für sich spricht, brauchen wir keinen neuen Claim.

Das vergangene Dschungelcamp bei RTL hat neben kritischen Berichten auch erstaunlicherweise erstmals positive Kritiken erhalten. Hilft die Akzeptanz auch Ihnen mit einem Format wie „Big Brother“?

Man muss zunächst einmal vor „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ den Hut ziehen. Das ist perfektes Fernsehhandwerk. Es freut mich für die Kollegen, dass die Sendung zwar leider immer noch nicht gebührenden Respekt aber immerhin schon eine sachlichere Presse bekommen hat, die sie wirklich verdient. Und ähnliches kann man natürlich auch über „Big Brother“ sagen, weil sich auch hier die handwerkliche Qualität von Staffel zu Staffel gesteigert hat. Auch hier wird inzwischen mit weniger Polemik über das Format berichtet. Mancher Kritiker erkennt, dass „Big Brother“ eine Sendung ist, die man sich anschauen kann oder eben auch nicht anschauen kann.

Gibt es eine Parallele zwischen den beiden Formaten?

Ja, wobei man natürlich auch erwähnen muss, dass „Big Brother“ inzwischen im Fernsehalltag angekommen ist, dafür aber auch nicht mehr die Marktanteile erzielt, die es noch mit den ersten Staffeln erreichte. „Big Brother“ hat sein Niveau gefunden, während RTL beim Dschungelcamp natürlich wieder alles gegeben hat, um die Quote hoch zu halten. Der Ekelfaktor war wieder sehr hoch. Aber das Format lebt davon in kürzester Zeit möglichst viele Schlagzeilen zu produzieren. Das kann man „Big Brother“ inzwischen im Verhältnis zur Länge der Sendung nicht mehr vorwerfen.

Aber das Format lebt doch von Sex und Skandalen....

(lacht) Sex, Zoff und Rock & Roll gehören zu „Big Brother“ und das wird auch so bleiben. Aber die bewusste Grenzüberschreitung nur der Provokation willen, haben wir herausgenommen. Ehrlich gesagt wüsste ich aber auch kein Tabu mehr, dass wir noch brechen könnten, ohne den Rand der Legalität zu erreichen und moralisch verwerflich zu werden. Von da aus ist uns die Richtung für „Big Brother“ vorgegeben.