Herr Steffens, wenn "Alarm für Cobra 11" nicht schon seit 20 Jahren bei RTL liefe und Ihnen heute jemand eine Actionserie mit Autobahn-Cops und jeder Menge geschrotteten Fahrzeugen anbieten würde – würden Sie zugreifen?

Philipp Steffens: In jedem Fall – genau wie damals ist "Cobra 11" etwas Einzigartiges im deutschen Fernsehen. Wir müssen es heute umso mehr schaffen, Alleinstellungsmerkmale zu setzen, um uns gegen konkurrierende Angebote durchzusetzen. Das ist der "Cobra" in den letzten 20 Jahren eindrucksvoll gelungen – und das wäre auch heute so.

Glauben Sie das auch, Herr Joha? Wie stünden Ihre Chancen, die Idee heute an den Mann zu bringen?

Hermann Joha: Schlecht, fürchte ich – allein schon wegen der Finanzierung. Wenn ich mit einem neuen Konzept komme, heißt es bei RTL: Eine zweite Serie in dieser Größenodnung wird schwierig. Bei allen anderen Sendern fliege ich gnadenlos raus, sobald ich über realistische Zahlen spreche.

 

Ist das etwa die größte Veränderung in 20 Jahren – dass die Budgetsituation angespannter geworden ist?

Joha: RTL ist der einzige Sender, der uns über all die Jahre, über alle Höhen und Tiefen, mit dem Budget ausgestattet hat, das man braucht, wenn man eine moderne Actionserie auf Hollywood-Niveau herstellen will. Wir waren immer wieder in Europa unterwegs bei allen Sendern, die man sich so vorstellen kann. Da war keiner bereit, auch nur annähernd so viel zu investieren. Zum Glück entwickelt man in 20 Jahren gewisse Synergien, und die Digitalisierung hilft auch dabei, spektakuläre Stunts noch größer aussehen zu lassen, als das früher möglich war.

Wie kommt man nach 300 Folgen immer noch auf neue Fälle, wenn doch alles rund um die Autobahn spielen muss?

Heiko Schmidt: "Cobra 11" bietet uns eine ziemlich breite Spielwiese. Natürlich gibt es Fälle, die man so ähnlich schon mal erzählt hat. Die Herausforderung liegt darin, den Fall zeitgemäß neu zu erzählen und den Zuschauer immer wieder zu überraschen. Wir stellen in der Regel eine emotionale Episodenfigur ins Zentrum jeder Folge. Damit können wir immer wieder neue spannende Figuren schaffen.

Wie stark lässt sich die Marke dehnen? Zwischen leichter Action-Comedy und etwas dunklerem Thriller haben Sie im Laufe der Zeit mit verschiedenen Genre-Schwerpunkten experimentiert.

Steffens: Das Tolle an einer Serie, die so lange läuft, ist ja, dass man eine große Familie unterschiedlicher Charaktere aufbauen kann und dass diese Charaktere mit wechselnden Schwerpunkten auch ein Eigenleben entwickeln können. Grundsätzlich hat die "Cobra" immer Heldenfiguren und Charaktere mit klarer Wertestruktur gehabt, um dem Zuschauer einen verlässlichen Anhaltspunkt zu geben, worauf er sich auch gerne einlässt. Dabei gab es sicher auch Phasen, in denen eine der beiden Hauptfiguren etwas gebrochener war. Vielleicht waren wir da mitunter ein bisschen zu mutig.

"In den letzten zwei Jahren haben wir uns zu weit von der gelernten 'Cobra'-Welt entfernt"

Hermann Joha, "Alarm für Cobra 11"-Produzent


Was meinen Sie damit konkret?

Steffens: Wenn man den Anfang der beiden Staffeln mit Vinzenz Kiefer als Kommissar Alexander Brandt nimmt, dann war das sehr konsequent gemacht. Er hatte einen emotionalen Rucksack zu tragen. Hinzu kam, dass auf einmal auch Erdogan Atalay als Kommissar Semir Gerkhan so einen emotionalen Rucksack aufhatte, weil seine Familie in die Brüche ging. Darüber hinaus waren die Fälle dann auch noch relativ schwer und düster. Rückblickend war das vielleicht ein bisschen zu viel an den Rädchen gedreht. Dennoch bin ich dankbar für die Erfahrung, weil wir so noch mehr über unser eigenes Format lernen und es noch besser machen können.

Joha: Ich glaube auch, dass wir uns in den letzten zwei Jahren ein bisschen zu weit von der gelernten "Cobra"-Welt entfernt haben. Deshalb stellen wir die Schräubchen jetzt wieder etwas mehr in Richtung Leichtigkeit und Humor. Mit unserem neuen Hauptdarsteller Daniel Roesner liegen wir da genau auf der richtigen Linie.

Schmidt: Ich halte es für einen der Erfolgsfaktoren, dass wir in 20 Jahren immer wieder Partner für Erdogan Atalay hatten, die unterschiedliche Facetten bedient haben. Mit Gedeon Burkhard hatten wir früher schon einmal eine Figur, die etwas düsterer war. Hätten wir direkt nach Tom Beck wieder eine eher lustige Figur gesetzt, wäre die Unterscheidbarkeit für den Zuschauer nicht so klar gewesen. Daniel Roesner ist jetzt der achte Partner für Erdogan – und man kann einen gewissen Zyklus erkennen: Diese etwas komplexeren Zwei-Jahres-Partner standen immer vor längeren Erfolgsphasen. Tom Beck zum Beispiel war sechs Jahre dabei. Folglich sehe ich eine langfristige Perspektive mit Daniel Roesner.


Wie Hermann Joha den weltweiten Verkaufserfolg von "Cobra 11" erklärt und warum er bei anderen Produktionsfirmen längst rausgeflogen wäre, steht auf der nächsten Seite...