Foto: GoldmannDWDL: Sie sagen im Vorwort, dass das Fernsehverhalten eines Menschen viel über ihn aussagt. Sind dann 1500 Seiten mit Kommentaren zu über 7000 Sendungen das persönlichste, was Sie bislang geschrieben haben?

Stefan Niggemeier:
Nein. Unser Anspruch war, dass das Buch auch als Nachschlagewerk funktionieren muss. Viele Sendungen haben wir ja auch nie gesehen, konnten sie einfach nicht mehr sehen, so dass wir uns dort ohnehin auf die Fakten beschränken mussten, die sich recherchieren ließen. Ich glaube, wenn wir der Welt einfach unsere persönlichen Vorlieben mitteilen wollten, hätten wir es uns einfacher machen können. Solche Bücher über Kultserien etc. gibt es ja auch schon. Wir wollten wirklich ein Lexikon, in dem alles steht - unabhängig davon, was den Autor interessiert.

DWDL: Ganz banal gefragt: Wie geht man an ein solches Projekt ran? 7000 Sendungen fallen einem nicht aus dem Stegreif ein...

Stefan Niggemeier: Auf die Idee gekommen ist Michael Reufsteck, der vor etwa sechs Jahren damit angefangen hat. Ich bin erst später, vor drei Jahren, dazu gekommen. Sein Antrieb war, dass er selbst so ein Buch haben wollte. Er hätte sich gewünscht, es nicht erst nach sechs Jahren in den Schrank stellen zu können, aber da es so ein Nachschlagewerk nicht zu kaufen gab, fing er eben an, es selbst zu schreiben. Angefangen hat er dann mit "Der große Preis". Es gab beim Schreiben kein System. Unsere Arbeit bestand zunächst lange Zeit aus reiner Bestandsaufnahme: Was muss eigentlich rein? Als diese Liste dann einmal feststand, war die Reihenfolge der Bearbeitung eigentlich egal. Und dann kam der anstrengende Teil: Recherche in Archiven, Gespräche mit Beteiligten, Auswertung von Sekundärliteratur und Ansicht vieler, vieler Stunden längst vergessener Fernsehsendungen.

DWDL:
Wieviel Erinnerung bzw. Recherche steckt also im "Fernsehlexikon"?

Stefan Niggemeier: Viel mehr Recherche als persönliche Erinnerung. Ich hatte zwar gedacht, dass ich als jemand, der viel und gerne ferngesehen hat, vieles aus der Erinnerung niederschreiben könnte, das war ja auch der Fall, aber ein noch größerer Teil musste doch recherchiert werden. Auch weil einen die eigene Erinnerung oft täuscht und wir mit dem Buch ja auch einige Dinge gerade rücken wollten, von denen man bislang eine verkehrte Vorstellung hatte.

DWDL: Also zum Beispiel die Länderpunkte bei "Tutti Frutti", die ja angeblich so legendär kompliziert gewesen sein sollen...

Stefan Niggemeier: (lacht) Genau, die Zuschauer waren damals wohl aus irgendwelchen Gründen von den Spielregeln abgelenkt. Sie waren zwar aufmerksam dabei, aber offenbar nicht wegen der Länderpunkte.