Frau Furtwängler, Sie kennen den Bechdel-Test zur Feststellung, wie gleichberechtigt ein Film in Bezug auf Frauen ist?

Selbstverständlich!

Wie würde Ihr 25. Tatort da wohl abschneiden?

Er würde ihn gewiss bestehen – so oft wie sich Charlotte Lindholm darin mit Frauke Schäfer und anderen Frauen mit bekannten Namen über andere Dinge als Männer unterhält.

Ist die gleichberechtigte Darstellung von Frauen und Männern ein Kriterium für sie, Filme zu machen?

Überhaupt nicht. Ich bin unbedingt dafür, jedem Film da künstlerische Freiheit zu lassen. Natürlich schaue ich dabei auch unter dem Gesichtspunkt auf meine Filmfigur, dass sie weiblich ist. Aber so sehr mich Geschichten mit emanzipierten Frauen auch interessieren, würde ich Buch und Regie diesbezüglich um Gottes Willen keine Vorschriften machen, wie emanzipiert sie zu sein haben oder wie oft ich mit anderen Frau über was anderes als die Liebe spreche – was ja Teil des Bechdel-Tests ist.

Haben Sie als Frau, die sich auch im Privatleben für Gleichberechtigung engagiert, dennoch das Bedürfnis, sie durch die Kraft Ihrer Popularität oder einfach Ihre Arbeit voranzutreiben?

Geschichten mit nachvollziehbaren Lebens- und Erfahrungswelten von Frauen interessieren mich meist mehr als Traumwelten. Trotzdem kann ich mich durchaus für männerlastige Filme begeistern, überlege mir aber schon sehr genau, worin ich vorkommen will. Allzu klischeebeladene Sachen möchte ich da einfach nicht machen. Und da kann ich von Glück sagen, dass Lindholm-Tatorte überproportional viele abwechslungsreiche und vielschichtige Frauenrollen haben. Selbst das ist allerdings keine Regel, sondern Teil des künstlerischen Prozesses.

Merkt man es einem Film wie diesem eigentlich an, dass er von einer Frau stammt?

Lustigerweise habe ich ihn mit meiner Tochter geschaut, und die fragte mich irgendwann: sag mal, hat das eine Frau gemacht?! Ich meinte dann, wie sie darauf komme und sie sagte, weil das alles so sinnlich und stofflich wirkt.

Wie alt ist Ihre Tochter?

25 und ich fand ihre Antwort total spannend, weil mir gar nicht in den Sinn gekommen wäre, dass ein Mann offenbar weniger sinnlich und stofflich inszenieren könnte.

Interessant ist allerdings, dass Charlotte Lindholm in keinem der 24 Fälle zuvor ähnlich übel mitgespielt wurde wie in diesem hier unter weiblicher Regie. Darf eine Regisseurin mit ihren Geschlechtsgenossinnen womöglich härter umspringen?

Um das sagen zu können, hätte ich den Film auch noch mal mit einem Mann drehen müssen. Aber vielleicht beweist die Tatsache, dass ihn Anne gemacht hat, dass Frauen und Männer in der Regel eben doch inhaltlich, nicht politisch an Filme herangehen. Diese Frau, also ich, ist schwach, versagt, macht verhängnisvolle Fehler und wird am Ende noch nicht mal nennenswert gerettet. Was Anne aber in jedem Fall geschafft hat, ist, mir das Vertrauen in diese Geschichte zu vermitteln, um meine Figur darin immer näher an den Abgrund zu treiben.

Macht das Charlotte nach all den Jahren oft unterkühlten Ermittelns ein bisschen menschlicher?

(lacht) Es ist auf jeden Fall eine neue Facette. Gut, weil ich die Figur nur einmal im Jahr spiele, war die Gefahr der Routine zwar ohnehin nie so groß. Aber wir können das, was mit Charlotte passiert ist, keinesfalls im nächsten Fall unkommentiert lassen. Sie muss sich und ihr Verhalten da unbedingt selbst reflektieren. Dass sie um diese Facette reicher geworden ist, motiviert mich da zusätzlich.

Haben Sie nach 25 Fällen noch dieselbe Lust darauf wie beim ersten vor 15 Jahren?

Nein. Aber nicht wegen der Rolle, sondern weil die Zeitpunkte nicht vergleichbar sind. Vor 15 Jahren war ich vergleichsweise unbekannt und hatte noch nicht allzu viel gemacht in dem Beruf. Ich kann mich noch gut erinnern, wie aufgeregt ich damals war. Bei jeder Szene Herzklopfen, ehrlich! Seither hat sich aber nicht nur Charlotte Lindholm weiterentwickelt, sondern auch Maria Furtwängler. Ob da irgendwann mal Langeweile aufkommt, kann ich noch nicht sagen. Im Moment überwiegt die Freude an der Figur.

Sagen Sie den Machern da umso mehr: langweilt mich nicht, denkt euch was Neues aus?

Nur insofern, als ich diese Forderung an mein Leben insgesamt stelle. Ich will mich nicht wiederholen und werde da schnell ungeduldig. Und es gab auch schon Momente beim „Tatort“, wo ich mich beim klassischen „wo waren Sie gestern um…?“ gehört habe und dachte: das geht gar nicht! Zum Glück waren die letzten Fälle dafür allerdings zu speziell, die haben Spaß gemacht.

Sie arbeiten generell extrem selektiv oder?

Ja, das stimmt wohl.

Warum?

Das mag jetzt platt klingen, aber ich bin interessiert an neuen Herausforderungen. Darum hab ich zum Beispiel dieses Jahr begonnen, Theater zu spielen. Da war mein Lampenfieber sogar noch größer als anfangs beim „Tatort“. Und es war ebenso aufregend wie meine Arbeit am Kinofilm „Das Wetter in geschlossenen Räumen“, den ich zwei Jahre zuvor mit der wunderbaren, aber sehr, sehr speziellen Isabelle Stever gedreht hab. Da dachte ich zwischendurch schon mal, was um Himmels Willen tust du dir da an?! Doch obwohl es kaum jemand gesehen hat, reizt mich so ein Arthaus-Film viel mehr als ein Fernsehspiel nach dem anderen.

Also sieht man Sie künftig sogar noch weniger?

Nee. Mein Gefühl sagt mir, dass ich demnächst sogar wieder mehr mache, weil ich jetzt auch selber entwickle und produziere. Wobei ich nicht sage, alles was nun kommt, wird besser. Da bin ich demütig und bescheiden. Aber vielleicht ein bisschen anders.

Heißt das, Sie beginnen endlich, ihr Publikum auch mal zu verstören?

(lacht) Ach, ich denke, schon dieser „Tatort“ tut das bei einigen. Vielleicht nicht bei Ihnen; Sie lassen sich bestimmt frühestens von Tarantino verstören… Der dürfte sich übrigens gern mal bei mir melden.

In welchem Genre müsste sich sonst noch jemand endlich mal bei Ihnen melden, bevor Sie es selber umsetzen?

Was ich als Kind schon richtig toll fand, ist Science Fiction, so übernatürliches Zeugs. Und mir fehlt definitiv das Komödiantische im Oeuvre, daran hätte ich enormen Spaß.

Haben Sie den nötigen Humor in sich oder müssten Sie sich da coachen lassen?

Ach, den hab ich schon in mir, aber coachen lasse ich mich sowieso immer.

Herzlichen Dank für das Gespräch.