Frau Möllers, wie ist eigentlich die Stimmung unter den Freien in der ARD?

Man kann da nicht grundsätzlich von "den Freien" sprechen. Natürlich gibt es auch Freie, die sehr gut gestellt sind und die ihren Status richtig genießen. Aber es gibt große Unterschiede bei den Beschäftigungsverhältnissen und damit auch ein großes Spannungsfeld. Es gibt nämlich auch die Freien, die nicht gut verdienen, die nicht auf einen bestimmten Tagessatz kommen, obwohl sie jeden Tag im Sender sind. 

Sie arbeiten als freie Mitarbeiterin bei Radio Bremen und gehören zum ARD-Freienrat, den es seit 2017 gibt. Wie viele Freie gibt es in der ARD überhaupt insgesamt?

Bei Radio Bremen arbeiten eigentlich alle Reporter frei, aber auch viele Redakteure. Insgesamt machen die Freien die Hälfte der Belegschaft aus. Die Zahl der Freien ist in der Vergangenheit stetig gestiegen. Zehntausende sind bei ARD, ZDF, Deutsche Welle und Deutschlandradio als freie Mitarbeitende beschäftigt, davon rund 18.000 als arbeitnehmerähnliche. Von Anstalt zu Anstalt ist das Verhältnis sehr unterschiedlich: So hat der NDR proportional viel weniger Freie als Radio Bremen, das war traditionell schon immer so.

18.000 freie Mitarbeiter ist eine große Zahl. In der freien Wirtschaft wäre das so wohl gar nicht möglich, oder?

Es gibt dazu eine Rechtsprechung, die das abgesegnet hat. Anders als in anderen Wirtschaftszweigen ist die Praxis von ARD und ZDF legitim, weil wir unter Artikel fünf des Grundgesetzes, also die Rundfunkfreiheit, fallen. Deshalb haben die Sender ein sogenanntes Abwechslungsbedürfnis. Damit haben sie das Recht, auch mit vielen Freien zu arbeiten. Eine weitere Ausnahme gibt es meines Wissens nach noch im Bereich der Universitäten, da haben die Richter auf die Wissenschaftsfreiheit verwiesen. In der freien Wirtschaft wäre das so aber nicht möglich. 

Wo liegen die Herausforderungen für die Freien in der ARD? Gibt es noch Gräben zwischen freien und festangestellten Mitarbeitern?

Auch das ist von Anstalt zu Anstalt sehr unterschiedlich: Dort wo es viel mehr festangestellte Mitarbeiter gibt, mag es das geben. Bei Radio Bremen ist es ein absolutes Miteinander. Da merkt man im Tagesgeschäft nicht, wer fest oder frei angestellt ist. Die meisten Festangestellten arbeiten aber mehr "hinter den Kulissen", als Redakteure, Planer, in Führungspositionen oder der Verwaltung. Das Programm, das man sieht und hört, stammt in der Regel von freien Mitarbeitern, bei Radio Bremen ganz besonders. Einer der großen rechtlichen Unterschiede liegt im Kündigungsschutz: Sowas gibt es bei Freien nicht. Wir sind einfacher loszuwerden. Und da kommt die Strukturreform ins Spiel.

Die Politiker wollen, dass ARD und ZDF künftiger mehr sparen, damit der Rundfunkbeitrag nicht steigt. Die angekündigten Anstrengungen reichen den Ministerpräsidenten wohl nicht. Ulrich Wilhelm hat einem zweiten Sparpaket aber gerade eine Absage erteilt.

Die Strukturreform stellt ein Spardiktat für die ARD dar. Seit 2009 wurde der Rundfunkbeitrag nicht erhöht, bei gleichzeitig steigenden Kosten. Das heißt, die ARD muss sparen. Man versucht dabei, Einsparungen zu realisieren, die das Programm nicht berühren. Aber es ist ja klar, dass es irgendwen treffen muss. Bei den Freien merkt man das eben nicht sofort. Aber wenn man oben weniger Geld reinsteckt, kommt unten auch etwas anderes heraus. Und auch wenn Ulrich Wilhelm keine weiteren Einsparungen will, haben die Ministerpräsidenten ja schon angedeutet, dass die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen nicht ausreichen werden. Und letztendlich entscheiden die Politiker, ob und wenn ja wie viel gespart wird. Der Spardruck wird sich also voraussichtlich weiter erhöhen und wir befürchten, dass die freien Mitarbeiter hier zum Ventil werden, um den Druck abzulassen.

"Wenn man oben weniger Geld reinsteckt, kommt unten auch etwas anderes heraus."

Sind die freien Mitarbeiter in der Vergangenheit bereits zum Opfer des Spardrucks geworden?

Das wollen wir auf dem Freienkongress am Freitag und Samstag besprechen. Bislang haben sich die ARD-Freien nicht wirklich gut vernetzt und ausgetauscht, das wollen wir ändern. Dabei geht es genau um so etwas: Wir wollen künftig einfach genauer wissen, in welchen Anstalten schon was passiert ist. Radio Bremen hat zum Beispiel die Technik outgesourct, in dieser externen Firma sind heute alle Kameramänner, Cutter und so weiter angestellt. Die werden dort nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt und das hat einen großen Spareffekt gebracht. Wir wollen auch die Frage stellen, ob es durch die Sparmaßnahmen schon Auswirkungen auf das Programm gegeben hat und wie groß die Gefahr ist, dass es dazu bald kommen wird.

Was erhoffen Sie sich vom Freienkongress?

Wir wollen damit auch ein Signal an die Politik senden und von den Ministerpräsidenten stärker beachtet werden, die ja gefühlt nur auf Zahlen schauen. Gerade in Zeiten, in denen Rechtspopulisten in ganz Europa immer stärker werden, brauchen wir doch einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da muss mehr auf die Arbeitsbedingungen und vor allem auf den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Qualität geachtet werden. Die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen hat Auswirkungen auf die Qualität des Programms, das müssen wir der Politik klarmachen. Und es ist nun mal so, dass der Großteil des ARD-Programms von Freien erstellt wird.

Standen Sie als Interessensvertretung in der Vergangenheit bereits in Kontakt mit der Politik?

Ja. Aber das ist noch ausbaufähig. Wir haben jedenfalls den Eindruck, dass das Thema in der Politik noch nicht richtig angekommen ist.

Der ARD-Freienrat wurde 2017 gegründet. Welche Erfahrungen haben Sie mittlerweile gemacht? Wird er von den ARD-Intendanten ernst genommen?

Wir haben bislang nur gute Erfahrungen innerhalb der ARD damit gemacht: Der Freienkongress findet ja zum Beispiel bei Radio Bremen statt und unser Intendant Jan Metzger sitzt auf dem Podium und stellt sich den Fragen. Er hat auch alles dafür getan, damit wir das dort veranstalten können.

Frau Möllers, vielen Dank für das Gespräch!