So politisch wie diese Woche war die DWDL.de-Reihe "US-Studios im Umbruch" noch nie. Das liegt an den außergewöhnlichen Umständen der Trump-Administration – genauer gesagt: an den Verbiegungen, die all jene Medienkonzerne unternehmen, die entweder eine genehmigungspflichtige Transaktion planen oder schärfere Regulierung abwenden wollen. Also fast alle. Deshalb sind gegenwärtig so viele Schmeichelprogramme, Vergleichszahlungen und Inklusionsbremsen zu beobachten, von denen hier die Rede war.
Am wenigsten von allen hat es wohl der Streaming-Platzhirsch Netflix nötig, sich beim Präsidenten einzuschleimen. Auf absehbare Zeit dürften die Kalifornier keinen ihrer Konkurrenten schlucken wollen – es würde schlicht keinen Sinn ergeben. Und im Gegensatz zu anderen betreiben sie weder lineare Sender mit TV-Lizenz noch ein marktführendes E-Commerce-Geschäft. Folglich sind Ted Sarandos und Greg Peters, die Netflix-Co-CEOs, bislang nicht durch übertriebene Demutsgesten in Richtung Washington aufgefallen. Bloß eine kleine Personalie im Hintergrund deutet darauf hin, dass sie zumindest gewappnet bleiben wollen.
Seit Monatsbeginn lässt Netflix sich in der US-Hauptstadt von einem neuen Chief Global Affairs Officer vertreten. Der Wirtschaftsanwalt Clete Willems, der direkt an Sarandos berichtet, verfügt über einschlägige Erfahrung und Kontakte. Während Trumps erster Amtszeit war er zunächst Chefjustiziar des US-Handelsbeauftragten, dann Sonderassistent des Präsidenten für internationalen Handel und Vizedirektor des Nationalen Wirtschaftsrats. Einer wie er dürfte frühzeitig mitbekommen, ob sein Arbeitgeber ins Visier der Regierung gerät.

Der Chefkritiker der Fachzeitschrift "Variety" warf Sarandos dieser Tage "demagogisches Denken" vor. Seine Theorie, das gemeinsame Kinoerlebnis sei ein Relikt, offenbare weniger die Realität als vielmehr Sarandos' Wunsch. "Er beschreibt die Welt, die er sich wünscht, eine Welt, in der wir alle zu Hause sitzen und Netflix schauen und die Kadaver der Multiplex-Kinos leer und verlassen dastehen wie Kulissen aus 'Flucht vom Planet der Affen'. Für Ted Sarandos ist das ein Traum zum Wohlfühlen. Es ist das Geschäftsmodell, für das er lebt." Für jeden in der Entertainment-Industrie, dem die Zukunft der Kinos am Herzen liege, sei es wichtig zu wissen, wer auf seiner Seite stehe und wer nicht.

Als weiteres wichtiges Zugeständnis an Gerwig hat der Streamer sich verpflichtet, die Imax-Veröffentlichung wie einen typischen Tentpole-Kinofilm zu vermarkten und "Narnia" von Anfang an als "Netflix/Imax"-Titel zu kennzeichnen. Die Regisseurin wird für die Doppelveröffentlichung ab Juli sowohl mit Imax- als auch mit normalen Kameras drehen. Sarandos kann die Vereinbarung gegenüber anderen Begehrlichkeiten als Sonderfall in Kooperation mit Imax verkaufen, während er die derzeit wohl gefragteste Filmemacherin der Welt zufriedenstellt und damit ein Stück IP eventisiert, von dem er hofft, dass es sich langfristig zu einem wichtigen Franchise für den Dienst entwickelt. Auch die anderen Filmstudios nehmen nur allzu gern das Lizenzgeld von Netflix für ein frühes SVoD-Fenster mit. Allen voran Warner Bros., dessen Kinohits wie "Barbie", "Dune: Part Two" oder "Godzilla x Kong: The New Empire" in den vergangenen Monaten öfter mal die Hälfte der Netflix-Film-Top 10 stellten – während sie zeitgleich non-exklusiv auch beim Warner-eigenen Max verfügbar waren.
Andere Plattformen hin oder her – Netflix definiert das Ökosystem allein schon qua schierer Größe. Mit 490 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung ist der Streaming-Riese aktuell anderthalb mal so viel wert wie Comcast, Disney, Fox, Paramount und Warner Bros. Discovery zusammen. Dass man seit dem ersten Quartal dieses Jahres keine Abonnentenzahlen mehr veröffentlicht, schadet der Bewertung kein bisschen.
Im Gegenteil: Wer bei 10,5 Milliarden Dollar Quartalsumsatz eine Gewinnmarge von fast 32 Prozent ausweisen kann, hat die berüchtigten "Streaming Wars" gewonnen und muss sich nicht mehr kleinteilig rechtfertigen. Und doch legt man bei Netflix Wert darauf, weiter hungrig zu erscheinen. "Die größte Chance, die sich uns bietet, ist die Jagd nach den 80 Prozent der Fernsehnutzung, die heute weder bei Netflix noch bei YouTube liegen", formulierte Co-CEO Greg Peters kürzlich die Zielsetzung. Und weiter: "Wir betrachten das als eine echte, unmittelbare Gelegenheit."
US-Studios im Umbruch – bisher erschienen