Man sagt uns Deutschen nach, dass wir so gerne den Konsens suchen würden. Dass uns eine Debatten- und Streitkultur wie es sie etwa im angloamerikanischen Raum gibt, fehlt. Und so bekommt das deutsche Publikum mit dem Überangebot an Talkshows im deutschen Fernsehen offenbar das, was es verdient. Sendungen, in denen längst das theoretische Ziel eines Erkenntnisgewinns den Regeln der Show gewichen ist: Hauptsache sich präsentieren und am Ende sind alle froh, noch einmal darüber gesprochen zu haben. So wird in Talkshows längst nicht mehr Politik diskutiert - sondern gemacht. Das Mittel zum Zweck ist längst ein Selbstzweck. Da hat sich viel verändert seit den Anfangstagen von "Sabine Christiansen" im Ersten.

Umso surrealer wirkte deshalb am Mittwoch stellenweise die ProSieben-Pressekonferenz zur neuen Polit-Talkshow "Absolute Mehrheit" mit Stefan Raab und Peter Limbourg. Doch das lag nicht an dem Duo oder dem Sender, sondern den Journalisten. So waren es weniger die Antworten von Raab und Limbourg als die Fragen, die an diesem Abend viel verrieten. Natürlich gab es auch Details zur Sendung, die am 11. November nach der FreeTV-Premiere von "The Social Network" startet. Man werde sich daher übrigens in der ersten Sendung auch inhaltlich mit Social Media auseinandersetzen, weil man den Audience Flow nutzen will. "Und wenn dann mal 'Der Schuh des Manitu' läuft, reden wir halt über die Homo-Ehe", scherzte Raab.

Live in Köln-Mülheim produziert, werden Berufspolitiker mit einem politisch interessierten Prominenten oder Otto-Normal-Zuschauer in der brutto je 90 Minuten langen Sendung über mehrere aktuelle Themen diskutieren. Im Finale stehen jedoch nur drei Diskutanten, die um die absolute Mehrheit ringen, weil es nur dann 100.000 Euro gibt, sonst wandert das Geld in einen Jackpot. Zuvor wird nach jeder Runde abgestimmt. Während nach der ersten Runde noch keiner fliegt, muss sich danach jeweils der mit der geringsten Zustimmung des TV-Publikums aus der Debatte verabschieden. Fällt jemand sogar unter die 5-Prozent-Hürde, so wird ihm das Wort entzogen. Was harsch klingt, habe man sich einfach nur im Parlamentarismus abgeschaut, so Raab.

"Meinung muss sich wieder lohnen", ist der Untertitel der Sendung, zu der ProSieben am Mittwoch nur einen Mood-Trailer mit altem Material zeigte. Doch da sah man immerhin noch einmal, was offenbar manchem Journalisten entgangen ist: Neu ist das politische Feld für Stefan Raab nicht. Schon zu den Bundestagswahlen 2005 und 2009 moderierte er zusammen mit Peter Limbourg die "TV-Total-Bundestagswahl". Trotzdem wunderte sich eine Kollegin von der "Hörzu", ob ProSieben und Raab jetzt nicht nur Hinterbänkler in so eine Sendung locken könnten. Die erste Liga würden sie doch gar nicht bekommen. Eine Kollegin der "Hamburger Morgenpost" fand es empörend, dass man zwei Monate vor der ersten Sendung noch nicht einen einzigen Gast der Sendung bekannt geben wolle. Peter Limbourg klärte sie daraufhin über die Aktualität von Polittalks auf.

Immer wieder klang bei den Fragen der Vorwurf durch, das sei doch nicht ernst gemeint, verpackt in Aussagen wie "Die Politiker kommen wenn, dann doch eigentlich nur wegen Ihnen" worauf Raab verblüfft auch nicht mehr einfällt als zu sagen "Ja, reicht doch." Immer wieder wurde Skepsis laut, dass Raab die ehrenwerte Politik doch bloß zu einer Show machen wolle. Doch das wäre schlicht zu viel der Ehre für Stefan Raab - das hat die Politik dank der Spielfläche bei ARD und ZDF schon längst selbst geschafft. Aber für manchen Journalisten scheint Politik heilig zu sein. Raab brach angesichts der Haltung einiger Journalisten mit der implizierten Lobhudelei auf die bestehenden Polittalks: "Wenn Sie Plasberg gucken, dann haben Sie da Themen wie 'Baumärkte - Wissen wo der Hammer hängt'. Also das können wir auch."