Jedes Wort ist wohl überlegt, jede Pointe und jedes Sprachbild präzise platziert. Die Pausen sitzen genau da, wo sie dramaturgisch sinnvoll sind - sie müssen kein Ringen nach Worten überbrücken und sind fast nie mit einem "ähm" kombiniert. Der Mann im schmal geschnittenen dunklen Anzug mit offenem weißen Hemd wirkt sympathisch, souverän, gewinnend. Hätte er jetzt in diesem Moment etwas zu verkaufen, man würde vermutlich zugreifen.

Frank Hoffmann ist seinem Ruf als präsentationsstärkster Senderchef auch bei seiner allerersten Programmvorstellung für RTL gerecht geworden. Und nimmt man es genau, dann hatte er an diesem sonnigen Mittwoch im Hamburger Hotel Atlantic natürlich doch etwas zu verkaufen: seine neue Handschrift und den dringend notwendigen Neuaufbruch im RTL-Programm an die rund 120 anwesenden Journalisten.

Das ist dem seit fünf Monaten amtierenden Programmgeschäftsführer des Noch-Marktführers bestmöglich gelungen. Nicht, weil man hinterher jede neue C-Promi-Sause oder "Berlin - Tag & Nacht"-Kopie als Errungenschaft betrachtet hätte. Wohl aber, weil Hoffmann seine persönliche Haltung des "Wir haben verstanden, wir müssen die Ärmel aufkrempeln, wir müssen viele Dinge anders machen" glaubhaft vermittelt hat. Sein wichtigstes Stilmittel dafür ist und bleibt die Abgrenzung. Das wurde in Hamburg mehr als deutlich: Da präsentierte sich Hoffmann in jeglicher Hinsicht als Schäferkordt-Gegenentwurf.

Noch gut im Ohr ist die Art und Weise, wie die Sender-, Mediengruppen- und RTL-Group-Chefin vor einem Jahr über die dramatischen Marktanteilsverluste ihres Flaggschiffs hinwegredete. Ihre Taktik war damals das, was Psychologen "externale Attribution" nennen: Schuld sind immer die anderen. Etwa die böse Fragmentierung der Senderlandschaft. Hoffmann greift das direkt auf - und dreht es um in Richtung entwaffnender Ehrlichkeit und Selbstironie.

"Nein, es war nicht nur die Fragmentierung. Uns ist auch schlicht manches schiefgegangen", sagt er bei der Programmpräsentation. Und zeigt dazu das Foto einer falsch geklebten Werbeplakatierung für "Let's Dance", die die Buchstabenfolge LRT statt RTL ergibt. Als er wenig später sein Vorhaben ankündigt, "neue Wahrzeichen für die Primetime" zu schaffen, zieht er den in Hamburg naheliegenden Vergleich zur Elbphilharmonie: "Wenn's schiefgeht, sind bei uns nicht die Schnittstellen schuld - wir haben ja immer noch die Fragmentierung."

Man merkt Hoffmann die Lust an der Sprache an. Formulierungen wie diese hat er minutiös vorbereitet. Einmal geprägte Bilder greift er gern wieder auf, damit sie sich in den Köpfen seiner Zuhörer verfestigen. Das aus seinem "SZ"-Interview bekannte "Penthouse" kommt ebenso vor ("Ja, das Penthouse ist weg, aber wir bauen schon wieder daran") wie der durch den Dschungel führende Weg ins Feuilleton. Und immer wieder diese Ehrlichkeit, die so nahbar macht: "Sie müssen bitte Geduld mit uns haben!" oder "Ich mache keinen Hehl daraus, wir haben uns von RTL II und 'Berlin - Tag & Nacht' inspirieren lassen."

Das alles - und die über 40 vorgestellten Formate - präsentiert Hoffmann in freier Rede. Ohne Zettel, ohne Kärtchen, ohne Teleprompter. Die meiste Zeit schaut er nicht einmal auf seine Charts. Alles, was er sagen will, hat er verinnerlicht, und das in klaren Worten. Das hat er als Vox-Geschäftsführer schon so gemacht - in den ersten Jahren noch etwas angespannt, später souverän und locker. Jetzt, auf der RTL-Baustelle, kann er seine Profi-Moderatoren-Qualitäten richtig ausspielen. Dass er dem taumelnden Marktführer damit ein glaubwürdiges, sympathisches Gesicht gibt, ist für diesen ebenso neu wie von unschätzbarem Wert.

Nach getaner Arbeit verrät Hoffmann im Gespräch mit DWDL.de, dass er während einer solchen Präsentation bewusst nicht auf die Charts schaue, sondern sich einzelne Köpfe im Publikum suche, um diesen zu folgen. Und dann der Profi-Trick: "Sich selbst einmal kurz unauffällig in den Oberschenkel kneifen, falls man eine negative Reaktion aus dem Publikum mitbekommt - das bringt den Kopf zurück aufs Wesentliche." Gelernt hat Hoffmann das von einem hauptberuflichen Profi-Moderator, seinem Morgen-Anchor Wolfram Kons.

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