Sat.1 hat aus Sicht der Quoten eine wahrhaft verkorkste Saison hinter sich. Die Marktanteile bewegten sich in der Zielgruppe im durchweg einstelligen Bereich - und zwischenzeitlich verfehlte man sogar die Marke von neun Prozent. Entsprechend groß sind also die Erwartungen an Nicolas Paalzow, den Sender wieder in die Erfolgsspur zurückzuführen. Es ist ein Unterfangen, an dem sich in den vergangenen Jahren schon zahlreiche Chefs die Zähne ausbissen. Dass er keine einfache Aufgabe vor sich hat, weiß Paalzow selbst nur allzu gut. "Das Rennen läuft und wir müssen bei Sat.1 die Reifen während der Fahrt wechseln ohne aus der Kurve zu fliegen", sagte Paalzow Ende Juni im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de.

Doch wie das bei Sat.1 fast immer ist, muss sich der neue Chef erst mal um die Altlasten seiner Vorgänger kümmern - und so dauert es in der Regel eine Zeit lang, bis die Handschrift des Neuen überhaupt sichtbar wird. Ab September ist die Schonfrist für Paalzow allerdings vorbei. Dann startet mit "Promi Big Brother" sein erster Großangriff auf die Konkurrenz: Zwei Wochen lang wird die Neuauflage der Realityshow am späten Abend auf Sendung gehen, mit Cindy aus Marzahn und Oliver Pocher als schlagkräftiges Moderatoren-Duo an der Spitze. Ein Selbstläufer ist die Show 13 Jahre nach ihrem aufsehenserregenden Start in Deutschland ganz gewiss nicht, doch sie ist eine Chance, um Sat.1 endlich wieder zum Gesprächsthema zu machen.

Genau solche Aushängeschilder sind es nämlich, die Sat.1 zuletzt fehlten. Dass es sich lohnt, in aufwendige Shows zu investieren, konnte der Sender in der Vergangenheit bereits feststellen: Sowohl "The Voice of Germany" als auch der überraschend quotenstarke Ableger "The Voice Kids" brachten Sat.1 wieder zunehmend Profil ein und auch die Tanzshow "Got to Dance" konnte erfolgreich etabliert werden. Unterm Strich war das allerdings zu wenig, um die zahlreichen Schwächen im Programm auszubügeln. Die liegen allerdings weniger in der Primetime als viel mehr im Tagesprogramm. Dort muss Sat.1 inzwischen nicht selten fast durchweg einstellige Marktanteile hinnehmen. Dass Wiederholungen der inzwischen eingestellten Gerichtsshows mit Alexander Hold oft noch am besten laufen, ist dabei sinnbildlich für die Krise des Senders.

Und so sind neue Ideen für den Nachmittag und den Vorabend dringend gefragt, doch noch scheut man sich offensichtlich, einen großangelegten Neustart zu wagen, obwohl dieser doch seit geraumer Zeit immer wieder aufs Neue angekündigt wird. Im September startet zunächst nur die neue Promi-Doku "Yellow Press" - sie alleine wird aber wohl kaum ausreichen, um sich aus dem Abwärtsstrudel zu befreien. So lange Sat.1 die bestehenden Probleme in der Daytime nicht in den Griff bekommt, dürften selbst die erfolgreichsten Formate im Abendprogramm am Ende bloß wie ein Strohfeuer wirken. Zudem hat Sat.1 ja auch abends an manchen Stellen mit Problemen zu kämpfen. Montags ist man nur erfolgreich, wenn "Der letzte Bulle" auf Streife geht. Da das aber in gerade mal 13 Wochen pro Jahr der Fall ist, ist neuer Serien-Stoff gefragter denn je.

Die Versuche, neue Serien zu etablieren, gingen in der vergangenen Saison jedoch allesamt schief. Wohl auch, weil es den Formaten an Alleinstellungsmerkmalen fehlte. Zunehmend Probleme bereitet aber auch der Dienstagabend: Die dort gezeigten Spielfilme sind mittlerweile keine Selbstläufer mehr und Ulrich Meyers "Akte" verliert derzeit immer häufiger den Kampf mit der 10-Prozent-Hürde. Hinzu kommt, dass selbst Julia Leischik am Mittwochabend keine Bäume ausreißen konnte - hier fehlte es vor allem an den heiß begehrten jüngeren Zuschauern. Aus der Schwäche der RTL-Dokus machte Sat.1 in den vergangenen Wochen jedenfalls viel zu wenig. Und am Show-Freitag muss man sich noch viel zu oft mit Filmen über die Runden retten.

Durchgängig stabil laufen so gesehen eigentlich nur die US-Serien - selbst mit Wiederholungen präsentierte sich "Criminal Minds" zuletzt in guter Form. Dass Sat.1 nun auch noch montags auf US-Serien setzt, mag so gesehen zwar konsequent sein, führte bislang allerdings noch nicht zum gewünschten Erfolg. Um das Profil zu schärfen, benötigt es aber vor allem neue Eigenproduktionen. Und da machen die Planungen von Nicolas Paalzow zumindest Hoffnung: Viele neue Formate hat er angekündigt, darunter die neuartige Kochshow "The Taste" und eine Überraschungsshow mit Cindy aus Marzahn. Mit Blick auf Nachmittag und Vorabend bleibt Paalzow aber noch immer einige Antworten schuldig. "Jede Veränderung in der Daytime birgt ein größeres Risiko, als dass es eine Chance bietet", sagte er kürzlich. Ein wenig Mut wäre aber trotzdem wünschenswert.