So eine Verbreitung wäre Ihnen ohne die bei jedem einzelnen Interview am Sonntag immer wieder brav erzählten und deutsche Journalisten so erheiternden Anekdoten zum vermeintlich unglaublich furchtbaren Abend bei "Wetten, dass..?" kaum gelungen. Dass die Mehrheit der deutschen Medien sich um den Wortlaut der Aussagen nicht schert, stattdessen voneinander abschreibt und verfälscht und so ein großer Wirbel entsteht - das dürfte die Beiden mindestens so verwirren wie "Wetten, dass..?" am Samstagabend. Sie waren doch bloß auf Promo-Tour und wollten nach US-Manier was zu erzählen haben.

Aber erschreckenderweise war es am Montag nicht nur die "Bild", die sich in Dramatisierung übte. Da halfen alle mit. Die Story verselbstständigte sich binnen 24 Stunden in so bemerkenswerter Art und Weise, so dass sich sogar das ZDF gezwungen sah, auf die vermeintliche Fundamental-Kritik zu reagieren. Halle Berry sei immerhin "verstört" attestiert der "Kölner Stadt Anzeiger", laut "Focus" war sie sogar "fassungslos" und Tom Hanks sei "schockiert" gewesen, bewertete die "taz". Komisch nur, dass man bei der Recherche nach den tatsächlichen Aussagen überall da, wo man die Original-Aussagen von Hanks und Berry mal sieht bzw. hört, alles halb so ernst gemeint klingt.

Am Montag traf "Spiegel Online" Tom Hanks übrigens nach dem ohne Recherche verbreiteten Agentur-Material noch einmal zum Interview. Auf "Wetten, dass..?" angesprochen, erzählt er dann einmal mehr erst die gleichen Anekdoten - von der Katzenmütze, dem Sackhüpfen und dem Übersetzer - und zieht dann jedoch das Fazit: "Aber hey, es war trotzdem ein Spaß. Und im amerikanischen Fernsehen haben wir sicher schon dümmere Sachen gezeigt." Doch diese Aussage wird kaum noch jemand mitbekommen.
Hängen bleibt dank bewusster Fehlinterpretation und sich in Rage geschriebener Journalisten nur, wie unfassbar furchtbar es für Tom Hanks und Halle Berry gewesen sein muss.

Sackhüpfen im Fernsehen - das ist ja unglaublich! Obwohl, nein. "Wetten, dass..?" war schon immer - der Komponenten Live-TV und zahlreichen Gäste sei dank - chaotisch und ein großer Kindergeburtstag. Belustigend, dass das plötzlich auffällt und kritisiert wird. Nein, es ist gut, dass es auch weiterhin so ist. Den XXL-Kindergeburtstag muss man ja nicht mögen, aber mehr als 10 Millionen Zuschauer mochten ihn - und anders als manche Casting-Entgleisung oder Reality-Quatsch tut er keinem weh.

Daher erstaunen manche Reaktionen auf die vermeintliche Kritik von Hanks und Berry. Mit wie wenig Stolz und Selbstbewusstsein verteidigen wir unsere TV-Unterhaltung? Wer die Aussagen von Tom Hanks wirklich ernst nimmt, müsste zunächst mal empört darüber sein, dass sich ausgerechnet ein Amerikaner über schlechtes Fernsehen auslässt. Denn Samstagabend im US-Fernsehen wiederum - das ist ein Trauerspiel. Da sollten wir uns bei aller Liebe für die guten 5 Prozent des US-Fernsehens, die über den Teich kommen oder wir uns selbst von drüben besorgen, nicht täuschen.

Deshalb: Egal ob man Markus Lanz mag oder nicht. Ob man "Wetten, dass..?" mag oder nicht. In der non-fiktionalen Fernsehunterhaltung hat Deutschland eine Vielfalt und Tradition, die es locker mit dem US-Fernsehen aufnehmen kann. Sie drohte mit einem Scheitern der "Wetten, dass..?"-Neuauflage zu verschwinden. Doch der Erfolg beim Publikum macht optimistisch. Die Samstagabend-Unterhaltung lebt. Hoffen wir jetzt in den kommenden Monaten und Jahren auf weitere neue Shows made in Germany statt verzweifelt auf den nächsten TV-Hit im Ausland zu warten und wieder nur zu adaptieren.

Und US-Schauspieler werden uns verzeihen, dass wir in Deutschland Fernsehen eben so machen, wie es uns gefällt. Nicht jedem, aber im Fall von "Wetten, dass..?" immerhin über 10 Millionen Fernsehzuschauern. Übrigens eine Zuschauerzahl, von der in den USA - hochgerechnet auf die entsprechend größere Bevölkerung - jeder Fernsehsender und -TV-Produzent nur träumen kann. So ein Lagerfeuer-Fernsehen abseits von Sportübertragungen kennen und können die Amis eben nicht.