Unter der Überschrift "Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr!" erregt sich die Verfasserin Maren Müller über das Verhalten von Markus Lanz gegenüber Sahra Wagenknecht und anderen Gästen aus dem linken Spektrum der Politik - und stützt sich in der Begründung auch auf empörte Tweets unmittelbar während der Sendung. Eine leider sehr unglückliche Begründung, weil nicht wirklich inhaltlich. Hier fängt sie schon an, die Verwechslung von Qualität mit Quantität - und sie zieht sich durch fast alles, was in den vergangenen Tagen basierend auf dieser Petition geschrieben wurde.



Für die durch „Wetten, dass..?“ schon regelrecht auf Lanz abgerichteten Medien, war die Petition natürlich ein gefundenes Fressen. Stetig steigende Unterstützer-Zahlen wurden plötzlich zur Schlagzeile und gleichzeitig Beleg für die Aussagekraft der von Frau Müller aufgestellten Thesen. Mit der Empörungskultur im Internet scheinen sich die wenigsten Journalisten beschäftigt zu haben, wenn etwa Aussagen wie „Mit der Petition hat die Kritik eine neue Qualität erreicht“ getroffen wurden. Mit Qualität hat die Petition nun wirklich nichts zu tun, wohl aber mit Quantität.

Rechtfertigt Masse also eine Verurteilung? Wohlgemerkt: Jene Sendung von Markus Lanz war mies. Doch vor dem Hintergrund der Debatte über Lanz bei „Wetten, dass..?“ und seiner polarisierenden Art als Schwiegermutter-Liebling lässt sich an der Anzahl der Unterzeichner einer Online-Petition wahrlich keine qualitative Aussage über diese konkrete Sendung vom vergangenen Donnerstag treffen. Eine Petition wird hier zu einem Ventil für viel aufgestauten Unmut - und ab einer gewissen Größe auch zum Selbstläufer.

Man kann sich schon manchen Journalisten vorstellen, wie er sich begeistert die Hände reibt, weil sich die Folge-Geschichten quasi von selbst schreiben: Kann das ZDF eine solche Petition noch ignorieren? Wie wird das ZDF auf die Petition reagieren? Wieso reagiert das ZDF nicht auf die Petition? All das wird kommen. Weil die pure Masse von Unterzeichnern eine Erwartungshaltung schafft, die wiederum immer mehr Menschen zur Unterschrift bewegt. Auch all diejenigen, die sich generell am gebührenfinanzierten Fernsehen erregen. Das wird in Kommentaren zur Petition deutlich.

Längst hat all die Erregung kaum noch etwas mit der konkreten Sendung zu tun. Längst geht es gegen Markus Lanz als Person, gegen das ZDF als sein Arbeitgeber. Dabei gäbe es so viel bessere, inhaltliche Möglichkeiten, sich mit dem Reinfall von vor einer Woche zu beschäftigen. Stefan Niggemeier macht es vor. Er dokumentiert und kommentiert den Ablauf der Sendung. Das tut schon beim Lesen weh - und das ist gut so. Es ist aber eben auch deutlich mehr Aufwand als einfach Wasserstandsmeldungen zu einer Petition rauszuhauen. Wie gut, dass es jemandem wie Niggemeier nicht um die Klick-Optimierung geht.

Doch weitaus wichtiger als die Frage nach dem persönlichen Schicksal von Markus Lanz ist doch bei all dieser Aufregung die Frage, ob wir eigentlich künftig bei jedem Fehltritt gleich nach Entlassung schreien wollen? Marietta Slomka raus, Markus Lanz raus. Alle gleich weg? Es ist doch geradezu kurios, dass ausgerechnet Lanz, dem bis vergangene Woche Donnerstag eher das genau gegenteilige Image des immer netten Schwiegermutter-Lieblings vorgeworfen wurde, plötzlich wegen Unhöflichkeit zum Buh-Mann wird. Ohne jeden Zweifel ist er bei Sahra Wagenknecht über das Ziel hinausgeschossen. Aber so manche mit der Online-Petition verbundene Forderung macht mir mehr Angst als Markus Lanz.

Da wird Neutralität gefordert, die Erhaltung von Meinungsvielfalt angemahnt und Pluralismus bei den Öffentlich-Rechtliche eingefordert. Ausgewogenheit und Chancengleichheit in öffentlichen Medien erwartet. Das ist auch alles richtig, doch bei aller Liebe: So viel Bedeutung wurde dem harmlos belanglosen  nächtlichen ZDF-Talk ja noch nie beigemessen. Das ist etwas zu viel des Guten. Wünscht sich vielleicht noch jemand Weltfrieden von „Markus Lanz“? Dürfte auch schwierig werden. Seine ZDF-Sendung ist Unterhaltung, kein Polit-Talk. An immer gleichen, höflichen und furchtbar ausgewogenen Gesprächsrunden mangelt es im deutschen Fernsehen dank der ARD nun wirklich nicht.

Ja, Lanz war unhöflich und hat eine miserable Sendung hingelegt. Ja, dafür hätte er und das ZDF sich direkt entschuldigen müssen. Ja, es wäre für ihn und die Zuschauer besser, er bliebe bei der Unterhaltung und ließe die Finger von Gästen aus der Politik. Aber nein, „Markus Lanz“ ist deswegen eben auch nicht der Ort, an dem sich Meinungsfreiheit oder Ausgewogenheit der Öffentlich-Rechtlichen entscheidet, wie die Petition suggeriert, um einen Skandal daraus zu machen. Der Holzhammer einer Online-Petition ist aber leider zu grob für Differenzierungen. 70.000 gegen Lanz - das ist die Schlagzeile, die zieht. Dabei lässt sich das ganze Theater um die Sendung von vor einer Woche auf einen ganz einfachen, weniger spektakulären Nenner bringen.

Was Markus Lanz und die Online-Petition gegen ihn eint? Die völlig falsche Annahme, er sei ein Polit-Talker.