Die Attraktivität der kargen Schönheit: Das neue Qvest im Test

Die Idee, sich von "in die Mittelmäßigkeit gezwungenen Magazinen" abzusetzen, ist zugegebenerweise nicht neu. Mit dem Politmagazin "Cicero" und dem Society-Magazin "Park Avenue" ist der Trend zu teuren Edelmagazinen in Zeiten von Hartz IV ungebrochen. Vielleicht aber auch gerade wegen Hartz IV: Nie war die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland größer, hört man in den Nachrichten.

Deswegen wird in Deutschland alles billig: Was früher nur Lebensmittel bei Aldi betraf, gilt neuerdings für Elektrogeräte vom Mediamarkt oder Saturn und für Reisen mit Billigfliegern. Was dies mit "Qvest" zu tun hat? Viel, weil die Neuauflage des umjubelten Gesellschaftsmagazins genau das andere Ende der sich öffenden Schere besetzt und dabei schnittiger daherkommt als es "Park Avenue" krampfhaft versuchte.

Den Vergleich beider Magazine werden die Macher öffentlich sicher von der Hand weisen, doch insgeheim selbst ziehen: Während Grunder + Jahr im vergangenen Jahr das Projekt "Qvest" fallen ließ und stattdessen mit einem indisktuablen "Park Avenue" auf den Markt kommt, schafft es der Branchenliebling von einst mit neuem Verlag, auf Anhieb in Stil und Inhalt die Spitze zu übernehmen.

Sympathisch macht "Qvest" schon die Markteinführung zum Relaunch. Haben Sie irgendeine Werbung gesehen für die Comeback-Ausgabe mit dem passenden Titelthema "Renaissance - Gutes kommt wieder"? Anders als bei "Park Avenue" wurde hier nicht laut gepoltert und ohnehin spielt man mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren für die Erstausgabe nach der Zwangspause in einer kleineren Liga.

Wer allerdings fünf Euro für das 188 Seiten dicke Magazin bezahlt, will mehr für sein Geld als eine sympathische Markteinführung. Was also bietet "Qvest"? Auf den ersten Blick minimalistische Tristesse in Perfektion. Das Durchblättern des Magazins offenbart eine Vielfalt von Grautönen und kommt, abgesehen von einigen Ausnahmen und Werbeseiten, in der Wahrnehmung fast monochrom herüber.

Vor dem Inhaltsverzeichnis auch bei "Qvest" die üblichen doppelseitigen Werbungen von Escada, Joop und Hugo Boss: Ein Männermagazin a la "GQ" muss man aber deshalb nicht erwarten. Dafür sorgen die Themenbereiche Kultur, Mode, Kunst & Architektur sowie Gesellschaft. Dazu feste Rubriken wie die Seiten für die "Qrew" des Heftes und die "Q-Spots", die in ruhiger Optik die kurzen Storys und Meldungen des Monats verkünden. Nett auch die Agenda "5x5" mit je fünf Fragen an fünf mehr oder wenige prominente aber kreative Mitmenschen.

Geprägt wird der Stil von "Qvest" aber natürlich durch anderes. Die Titelgeschichte über Schauspielerin Juliane Köhler (spielte Eva Braun in "Der Untergang") zum Beispiel: Nach einer gelungenen, weil klassisch-eleganten Fotostrecke, beginnt das Portrait mit einem Verweis auf den ehemaligen Dozenten der Henri-Nannen-Schule in Hamburg, Wolf Schneider, der einmal gesagt haben soll: "Jedes Lob muss zu 30 Prozent Kritik enthalten."

Frech ist die Schlussfolgerung von Autor David Pfeifer: Er lobt, nicht weniger hochtrabend als es in "Park Avenue" auch geschieht, aber in angenehmer Sprache und pointierter. Am Ende dann der Clou: "Aber weil jedes Lob eben auch die Kritik enthalten muss, kommen wir jetzt mal zu den Rollen, in denen Juliane Köhler bislang schlecht ausgesehen hat, und zu dem, was ihr nicht zuzutrauen ist, also zu ihren negativen Seiten:" Wer dann allerdings umblättert, ist bereits bei der nächsten Story. Ohne es zu schreiben, hat Autor Pfeifer Juliane Köhler damit das charmanteste Kompliment gemacht.

Die Lektüre von "Qvest" gerät weniger spektakulär als bei "Park Avenue": Themen und Bilderstrecken sind teils interessant oder zumindest unterhaltend, manchmal so schräg, dass man einfach weiterblättert und dabei häufig in monochrom-blaßer Optik. Am Ende allerdings hat man sich die ein oder andere Story gemerkt und liest noch einmal nach: Genau an diesem Punkt scheitern andere Zeitschriften.

Ob Angela Merkels Heimat, ein New Yorker Blick auf Berlin oder der Niedergang von Mercedes: Die Storys haben Gehalt, sind weniger selbstverliebt und sprachlich nicht auf unverständlichem Kindergarten-Deutsch der "Park Avenue" stehen geblieben, was beim Gruner + Jahr-Titel die größte Enttäuschung darstellte. Auch wenn die Themen in der Gesamtkomposition deutlicher in Richtung Kunst und Avantgarde tendieren, bleiben unter dem Strich selbst für den "Qvest"-Neuleser genügend leicht zugängliche Storys.

Ein Magazin mit Stil, interessanten Geschichten in eleganter Aufmachung ohne laute Werbekampgne und knallige Motive und grelle Optik: "Qvest" ist nach dem Politmagazin "Cicero" der zweite Neuling, der trotz hohem Verkaufspreis eine Lektüre wert ist. Wenn "Qvest" am Ende neben "Park Avenue" auf dem Couchtisch landet, dann unterscheidet es sich immer noch vom Gruner + Jahr-Titel: Es wurde gelesen, mit Vergnügen.