Die Weltpremiere der Serie fand im Rahmen der Berlinale statt und wurde von Kritikern bereits gefeiert. Gleichzeitig wurde im Februar bekannt: TV-Premiere feiert die deutsche Serie im deutschen Original mit englischen Untertitel beim US-Sender Sundance TV. Was zunächst nur ein PR-Coup war, entfaltete seinen Wert dann im Sommer während der Ausstrahlung in den USA: Die Fernsehkritiker in den Staaten waren beinahe ausnahmslos begeistert. Es war Balsam auf die Seele derer, die sich sonst immer anhören müssen, warum sie nicht können, was die Amis könnten.

Doch von all dem lässt man sich bei RTL Interactive nicht beeindrucken. Das ist so bemerkenswert tragisch, weil man sich an anderer Stelle sehr ins Zeug gelegt hat. Für die Presse wurde vom Sender mit viel Liebe zum Detail eine aufwändige Mappe entworfen, die an frühere Stasi-Unterlagen erinnern soll - inklusive scheinbarer Abnutzung, Kaffeeflecken hier und dort, angehefteter Fotos, alter Floppy-Disc und Unterlagen in typischer Nadeldrucker-Optik. Mit so viel Liebe zum Detail bewirbt sonst allenfalls die kleine Schwester Vox oder Konkurrent ProSieben neue Prestige-Projekte.



Und in den USA legte sich Sundance TV mit eigener Bildsprache in der Bewerbung der deutschen Serie mächtig ins Zeug. In der Promotion der Serie bemühte man sich um einen wiedererkennbaren Stil über die diversen Darstellungsformen hinweg, egal ob im Programm, auf der Website oder via Social Media. Als kleiner Pay-TV-Kanal zwaer auf einem überschaubaren Niveau, aber eben stimmig aus einer Hand. Dagegen ist es zurück bei uns regelrecht unwirklich, wie egal RTL der digitale Auftritt zu der schon im Vorfeld verdient gefeierten Serie ist.

Dass eine vielleicht ganz tolle OnAir-Kampagene noch folgen wird und klassische Werbemaßnahmen ebenso, tut dabei nichts zur Sache. Im Digitalen läuft schließlich all das zusammen. Und dabei wäre „Deutschland 83“ nicht schwer zu vermarkten. Inhaltlich hilft die deutsch-deutsche Thematik und eben ein sehr prägendes Jahrzehnt, in dem die Serie spielt. Dazu kommt - gerade in Zeiten der neuen Serien-Euphorie - eine erzählenswerte Entstehungsgeschichte sowie die ungewöhnliche Premiere einer deutschen Serie in den USA und die euphorischen Kritiken.



Der Facebook-Auftritt von „Deutschland 83“ dient übrigens - wie von RTL Interactive gewohnt - nur zu einem Zweck: Traffic auf die RTL-Website schaufeln. Es steht auch hier zu befürchten, dass die vielfältigen Möglichkeiten von Social Media weiterhin konsequent ungenutzt bleiben. Einen deutschsprachigen Twitter-Account zur Serie gibt es nicht. Doch wer im heutigen medialen Überangebot an Unterhaltung für ein linear ausgestrahltes Fernsehprogramm wie „Deutschland 83“ maximale Aufmerksamkeit haben möchte, der lässt mit dieser Taktik nicht nur Chancen ungenutzt - er schadet regelrecht.

Wenn die Serie mehr als das RTL in der fragmentierten Fernsehwelt noch verbliebene Stammpublikum erreichen soll, muss man es auch da erreichen, wo die besonders leidenschaftlichen Serienfans dank neuer Anbieter und größter Vielfalt inzwischen zuhause sind: Im Digitalen. Und so liegt für RTL zwischen Erfolg oder Misserfolg von „Deutschland 83“ eins: Das Problem RTL Interactive.