"Hey, ich habe da letztens etwas von Guillermo del Toro gesehen, dass dir und deinen Kindern gefallen könnte!" war bislang ein Satz, der eher nicht funktionierte. Aus gutem Grund, denn beinahe die gesamte Filmografie del Toros besteht aus Projekten, die entweder Vampire und Blut bereithalten - oder andere Dinge, die nichts für schwache Nerven sind. Alleine seine Serie "The Strain", die seit 2014 läuft, könnte ausreichen, den Nachwuchs nachhaltig so zu verstören, dass selbst gute Psychologen nicht mehr helfen können. Nun kommt der Mexikaner aber Händchen haltend mit Netflix um die Ecke und liefert mit "Trolljäger" den Beweis dafür, dass er auch ganz anders kann.
Die Geschichte von "Trolljäger" ist schnell erzählt, weil schon so oft gesehen. Wir folgen dem schüchternen Teenager Jim, der mit seiner überarbeiteten Mutter zusammenlebt und nur dann etwas Aufregendes zu erzählen hat, wenn er mal eine andere Pizzasorte probiert. Als er jedoch eines Tages mit dem Fahrrad in die Schule fährt und in einem ausgetrockneten Kanal auf ein magisch anmutendes Amulett stößt, ändert sich sein schnödes Dasein schlagartig. Aus dem durchschnittlichen Jungen wird der Trolljäger - ein Jäger, der für die Trolle jagt und nicht Trolle an sich, auch wenn der Titel erstmal anderes impliziert. Denn ja, es gibt Trolle in Jims Welt, für deren Erschaffung sich del Toro dann doch nicht lumpen ließ, seine dunkle Vergangenheit in der einen oder anderen Kreatur auszuleben. So mutet der immer wieder auftretende Erzfeind Bular (synchronisiert durch Ron Perlmans gänsehauterregende Stimme) wie eine Mischung aus dem "Herr-der-Ringe"-Balrog und dem Dahaka aus "Prince of Persia" an.
Es ist im Grunde also eine typische Heldengeschichte, bei der ein chaotischer Sidekick ebenso nicht fehlen darf, wie die klassische Romanze, die schablonenhaften Schulmobber und all die anderen vorhersehbaren Dinge, die man bereits aus vielen anderen Produktionen in- und auswendig kennt. Das ist zunächst nicht tragisch, schließlich hat del Toro hier in Zusammenarbeit mit Cha Cha Cha Films und DreamWorks Animation eine Serie auf den Bildschirm gebracht, die sich vorwiegend an die Jüngeren unter uns richtet. Süßer Look gepaart mit - überwiegend - knuffigen Charakteren. Doch ist "Trolljäger" wirklich alleine eine Kinderserie?
Einerseits laufen Eltern nicht Gefahr, ihre Kids mit keiner komplex durchdachten Story zu überfordern - es muss sich also niemand Sorgen machen, dass dem 6-jährigen Sohn an den Weihnachtstagen vor dem Fernseher wegen der 08/15-Story der Kopf raucht. Auf der anderen Seite glänzt del Toro jedoch zumindest zeitweise damit, einen intelligenten und zum Schreien komischen Humor eingebaut zu haben, der sich ganz gut mit dem von "Spongebob Schwammkopf" vergleichen lässt. Die Witze funktionieren bei den Kids auf einer ganz anderen Ebene, als bei den Erwachsenen. Doch funktionieren sie eben in beiden Altersgruppen.
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Beispielsweise wird Jim in einer Szene von einem feindlichen Troll infiltriert, der seine ahnungslose Mutter mit Schlaftabletten abfüllt und den Jungen anschließend zum Kampf herausfordert. Gerade als sich der junge Recke mit gezogenem Schwert ins Duell begeben möchte, hält er kurz inne, rennt zurück zu seiner am Küchentisch eingeschlafenen Mutter und zieht ihr vorsichtig die Brille aus, damit sie im Trubel nicht herunterfällt. Zufrieden begibt er sich dann mit leichter Verspätung in den Kampf. Kleine, witzige und menschliche Momente wie diese machen aus dem anfänglich etwas uninspiriert daherkommenden "Trolljäger"-Konzept doch noch ein herzerfülltes Abenteuer.
Vor allem aber der Cast, der den Protagonisten seine Stimmen leiht, sorgte dafür, dass die Animationsserie zum Leben erweckt wird. Neben Perlman mit seiner rauchigen Stimme ist der wahre Star jedoch einer, der dieses Lob leider gar nicht mehr mitbekommen kann. Jim wird im Original nämlich von Anton Yelchin ("Star Trek") gesprochen, der, kurz nachdem er seine Dialoge für die "Trolljäger" eingesprochen hat, mit gerade mal 27 Jahren viel zu jung verstorben ist. Del Toro wurde später angeboten Jim neu zu besetzen, was er glücklicherweise verneinte. So dürfen wir Yelchin in seinem letzten Projekt noch einmal lauschen - ihm und seiner unverkennbar lieblichen Stimme, die "Trolljäger" so herrlich warm wirken lässt.
Sollte es also zu einer zweiten Staffel kommen, darf man sich zu Recht fragen, ob dieses schöne Gefühl weitergetragen werden kann, oder ob man sich auch inhaltlich an Yelchins Schicksal orientieren wird und die Serie eine etwas melancholischere Richtung einschlägt. Die ersten Folgen von "Trolljäger" sind jedoch jetzt schon der perfekte Einstieg in Guillermo del Toros Film- und Serienwelt und eröffnen eine toll animierte Geschichte, die mit frechen Witzen und schick choreografierten Kämpfen aufwarten kann.
"Trolljäger" steht ab sofort bei Netflix zum Abruf bereit.