Wie reagieren Menschen, wenn die Demokratie abgeschafft wird? Dieser Tage hätte es womöglich schlicht gereicht, einen Blick in die Türkei zu werfen, um diese Frage ansatzweise zu beantworten. Aber weil ZDFneo ohnehin bereits eine thematisch passende Sendung im Kasten hat, kann man sie ja trotzdem mal zur Ausstrahlung bringen. Und so gibt es also an diesem und dem kommenden Sonntag jeweils zwei Folgen von "Diktator" zu sehen, einem Social-Factual-Format, wie das heutzutage heißt.

Die Grundkonstellation ist schnell erklärt: Acht junge Frauen und Männer werden Bürgerinnen und Bürger einer fiktiven Diktatur und leben eine Woche lang nach strengen Regeln. Kein Handy, kein Radio, kein Fernsehen und erst recht kein Kontakt zur Außenwelt. Ganz so wie es der fiktive Machthaber befiehlt. Erfahrenen Fernsehzuschauern kommt diese Konstellation freilich bekannt vor, schießlich ist das ziemlich exakt die Grundidee von "Big Brother".

Und so fühlt sich die Produktion von Bavaria Entertainment dann auch über weite Strecken an wie eine öffentlich-rechtliche Version des Großen Bruders. Der über allem stehende Führer ist hier – wie schon einst bei RTL II – völlig anonym und spricht bei Regelverstößen gerne mal kollektive Bestrafungen gegen seine seine Untertanen aus. Die geben sich übrigens große Mühe, sich auf das Experiment einzulassen, fühlen sich anfangs allerdings eher an einen Knast oder die Bundeswehr erinnert.

Natürlich kommen schnell unterschiedliche Ansichten darüber auf, wie sich die Gruppe zu verhalten hat, schließlich winkt einem von ihnen am Ende der Woche ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro – wobei völlig unklar ist, nach welchen Kriterien der Sieger ermittelt wird. Lohnt sich der Aufstand gegen den Diktator oder ist Widerstand zwecklos? Das ist tatsächlich zeitweise ganz interessant, zumindest wenn man das an vielen Stellen etwas zu präsente Diktatoren-Gerüst ein Stück weit außen vor.

Diktator© ZDF/Stefan Menne

Das fällt zugegebermaßen nicht ganz leicht, denn um den öffentlich-rechtlichen Charakter zu wahren, hat ZDFneo zwei Experten abgestellt, die dem Publikum erklären sollen, weshalb sich die Kandidaten so verhalten wie sie es tun. Leider kommen die beiden Sozialpsychologen oft wie Nachhilfelehrer daher, die das Publikum auf die nächste Diktatoren-Prüfung vorbereiten wollen. Sie sagen dann Sätze wie: "Propaganda ist ein ganz typisches Mittel für Diktaturen" oder "Gruppen von Menschen reagieren auf Symbolik ganz besonders". 

Doch bei allem wissenschaftlichen Anschein bleibt "Diktator" am Ende eben in erster Linie eine Realityshow, die nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Und so wirkt die Realität in manchen Ländern derzeit ungleich bedrohlicher als das, was ZDFneo seinen Zuschauern hier als Diktatur verkauft.

ZDFneo zeigt "Diktator" sonntags um 21:45 Uhr.