"Was hat man bei Serie XY zu erwarten?" - So eklig langweilig diese Frage auch klingen mag, die gerne mal bei Interviews aus dem Repertoire gezogen wird, wenn sich der Journalist vorher absolut gar nicht mit dem Projekt auseinandergesetzt hat, muss hier für die Allgemeinheit tatsächlich zunächst gestellt werden. Denn wer den Titel "American Gods" liest und sich dann auch noch den überaus vollgepackten Trailer anschaut, könnte über etwas sinnieren, das sich zwischen Superhelden-Schlachten und pseudophilosophischen Sprüchen befindet. Weiter könnte man jedoch nicht fehlen.

Um für sein Buch "American Gods", welches 2001 erschienen ist, zu recherchieren, reiste Neil Gaiman quer durch Amerika. Was entstand, war ein Gemisch aus Road Trip, etwas Märchenstunde und eine Ansammlung von ethnografischen Notizen, die insbesondere heutzutage wichtig für die Öffentlichkeit sind. In "American Gods" geht es nämlich um Legenden und Götter, die von den verschiedensten Einwanderergruppen in ihre neue Heimat Amerika gebracht wurden, und wie sie sich mit der Zeit entwickelt haben.

Damit dieser kreative Ansatz rundum das Thema Integration gerecht behandelt wird, hat der amerikanische Pay-TV-Sender Starz einiges auf die Beine gestellt: Nicht nur, dass Bryan Fuller ("Dead like me") Showrunner wurde, der Produzent Michael Greene ("Smallville") als Rückendeckung bekommen hat, konnten auch Film- und Serienlegenden wie Ian McShane ("Deadwood") und Gillian Anderson ("Akte X") gewonnen werden. Als Protagonist ist aber vor allem Ricky Whittle als Shadow Moon zu sehen, der einige damit überraschen dürfte, dass er doch mehr kann, als Seifenopern ("Hollyoaks") und mittelmäßige "Herr der Fliegen"-Adaptionen ("The 100").

Sollte man also vor dem Fernseher sitzen und zu manchem Zeitpunkt von "American Gods" das Problem bekommen, sich in dem doch recht komplexen Beginn zu verlieren, stehen genug Schauspieltalente zur Verfügung, an die man sich erst einmal klammern kann. Vor allem Ian McShane fungiert hier wie der nette Opa von nebenan, der mit seiner unfassbaren Ruhe und Gelassenheit durch wirre Storystränge geleitet. Er verkörpert Mr. Wednesday, einen der "alten Götter". Das Problem von ihm und seinen Kollegen wird schnell klar: 

Da es Gaimans These ist, dass Götter und mythische Kreaturen nur deshalb existieren, weil Menschen an sie glauben, kommt für sie das Dilemma auf, dass immer weniger Menschen zu ihnen beten. Dafür erheben sich jedoch andere, jüngere Götter aus dem Bewusstsein des Volkes: Die Medien, neue Technologien, Drogen und nicht zuletzt der Kapitalmarkt. Es kommt also zum Kampf zwischen alten und neuen Göttern.

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Hier wird vor allem das deutlich, was Ricky Whittle DWDL.de im Interview verraten hat: "Selbst Hardcore-Fans werde nicht wissen, was vor sich geht". Da seit der Veröffentlichung des Romans mehr als 15 Jahre vergangen sind, haben sich Bryan Fuller und sein Team allerhand Neuerungen und Updates erlaubt. Diese wurden aber stets in Absprache mit Gaiman getroffen, wodurch sich niemand auf den Schlips getreten fühlen sollte. Fuller merkt man zudem an, dass er trotz harter Rückschläge mit seinen Serien "Pushing Daisies" und "Hannibal", die beide viel zu früh abgesetzt wurden, nicht von seinem Stil abweichen möchte. Die schnippischen Sprüche, die Gaiman in seinem Roman vorgelegt hat, werden von Fuller hier wunderbar mit seinem bekannten Dramedy-Humor vereint.

Trotz der Thematik, die jedem ans Herz gelegt werden kann, sollte man sich vorm Reinschalten aber noch eines fragen: Wie stark ist mein Magen? Denn neben einem Blood-Count, der einen Peter Jackson zu "Braindead"-Zeiten glücklich gemacht hätte, sollte man alptraumhafte Visionen und menschenfressende Vaginas abkönnen. Gewalt ist sicherlich ein Stilmittel, dass hier durchgehend seinen Platz findet. Ab und an ist es fraglich, inwiefern dies nun dem Thema Integration dienen soll und nicht nur der reinen Aufmerksamkeit. Dann wird man sich aber auch wieder dessen bewusst, dass "American Gods" unterhalten möchte. Dies geschieht - trotz einem komplexen Storyeinstieg, von dem sich "Game of Thrones" und "Westworld" eine Scheibe hätten abschneiden können - größtenteils sehr ordentlich.