Da schaute Angela Merkel nicht schlecht, als ihr am Montagabend in der ARD-"Wahlarena" ein 21-jähriger Azubi vom Pflegenotstand erzählte. Mit Blick auf das Grundgesetz sagte er, die Würde der Menschen würde hierzulande in Kliniken und Pflegeeinrichtungen "tausendfach verletzt". Sein Vorwurf: Die Pfleger seien überlastet und für zu viele Patienten zuständig. Dabei sei Merkel seit immerhin zwölf Jahren Kanzlerin. So hart wie der junge Mann wurde Merkel von Journalisten zuletzt selten angepackt – klar, dass er dafür nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken reichlich Lob bekam.

So mancher hätte sich derart klare Worte auch von den Moderatoren des "TV-Duells" gewünscht. Dort war es vor gut einer Woche vor weniger um Themen wie soziale Gerechtigkeit oder eben den Pflege-Notstand gegangen, obwohl genau diese vielen Menschen unter den Nägeln brennen. Dass Moderatorin Sandra Maischberger dem SPD-Kanzlerkandidaten stattdessen entgegenhielt, womöglich "in einem anderen Land, mit anderen Nachbarn" zu leben, führte den Journalisten Wolfgang Michal zu der Annahme, dass es womöglich die Fragensteller seien, die in einer "sozialen Filterblase" lebten.

Es fragten schließlich "keine normalen Journalisten, sondern saturierte Millionäre, die mit Armen, Arbeitslosen, prekär Beschäftigten, Alleinerziehenden oder Flüchtlingen kaum in Berührung kommen dürften", so Michals Annahme. Vielleicht ist tatsächlich etwas dran an dieser Unterstellung; vielleicht kommen die spannendsten Fragen im aktuellen TV-Wahlkampf also nicht von gut bezahlten Journalisten großer Sender, sondern von den Bürgern selbst, die sich eben nicht mit gut vorbereiteten Worthülsen abspeisen lassen, weil sie Tag für Tag spüren, wo die Probleme in unserer Gesellschaft verortet sind.

Wahlarena mit Angela Merkel© NDR

Bundeskanzlerin Merkel in der "Wahlarena"

Unter diesem Aspekt ist auch eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Senders Phoenix wertvoll, die an diesem Mittwoch unter dem Titel "Politiker-Speed-Dating" ausgestrahlt wird. Das Konzept ist denkbar simpel: Sieben Bürger treffen sieben Politiker, darunter den Linken-Chef Bernd Riexinger, den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und die grüne Ex-Verbraucherministerin Renate Künast, und können sie fragen, was ihnen auf dem Herzen liegt – ohne Vorgaben und vor allem ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Nach jeweils sieben Minuten rücken die Politiker eins weiter und müssen dem nächsten Bürger Rede und Antwort stehen.

Einer von ihnen ist ein 32-Jähriger, der die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel fragt, wie sie es eigentlich findet, dass Politiker ihrer Partei immer wieder Sätze in den Raum werfe, ohne vorher darüber nachzudenken. Weidel lacht und räumt schließlich ein: "Ja, seh' ich auch so. Ich rede mir da intern auch bei uns den Mund wund." Die CSU-Staatssekretärin Dorothee Bär bekommt mit Blick auf die Streitigkeiten in der Union die Frage gestellt, warum ihre Partei nicht einfach eigene Wege gehe. Sein Gedanke: "Wenn ich einen Handwerker bestelle, der das nicht so macht wie ich das möchte, dann such' ich mir halt einen anderen."

Als Bär schließlich der SPD den schwarzen Peter bei Problemen mit der Einwanderung zuschiebt, wird es dem Mann zu bunt: Ob man die vier Jahre denn dann zwangsläufig absitzen müsse, fragt er und will wissen, oder ob es in Wirklichkeit nur darum gehe, sich so lang im Amt zu halten, um seine Posten zu sichern. 45 Minuten geht das so und das Urteil der Bürger fällt am Ende gemischt aus. Die Politiker seien den Fragen mitunter ausgewichen, kritisiert einer von ihnen. Ein anderer sagt dagegen, sein Bild von Politikern habe sich durch das direkte Gespräch verändert. Ein guter Grund, Formate dieser Art häufiger ins Fernsehen zu bringen – und zwar nicht nur im Wahlkampf.

Phoenix zeigt "Politiker-Speed-Dating" am Mittwoch um 22:15 Uhr.