In den entferntesten Ecken Norwegens ist es nicht nur kalt, sondern vor allem ruhig. Selbst als das kleine Mädchen namens Silja (Wiola Wilmi) eine abgetrennte Hand am örtlichen Flussbett findet, hoffen die Kollegen von Polizist Thomas (Espen Reboli Bjerke), dass er keine allzu große Geschichte daraus macht. Er ist nämlich derjenige, der die Kripo verständigen möchte, um diesen Fall intensiver beleuchten zu können. Bevor er den Fall jedoch ins Rollen bringen kann, verschwindet Silja plötzlich. Kurze Zeit später wird sie tot auf einem abgesperrten Militärgelände gefunden.
Das Fundament für die nächste, spannende Nordic Noir-Geschichte ist also gelegt. Thomas nimmt sich fest vor, die Verbrechen zu erforschen und die wahren Hintergründe herauszufinden. Dieses Unterfangen gestaltet sich jedoch wie ein behäbiger Fußmarsch durch den norwegischen Winter: Das Ziel wird nur dann erreicht, wenn man sich mit zusammengebissenen Zähnen durchkämpft. Schneestürme sorgen zusätzlich dafür, dass manchmal nichts außer eine weißen Wand zu sehen ist. Ein Sinnbild für "Elven".
Denn wer sich dazu entschließt, auf die heute bei Arte startende Reise zu gehen, muss sich genauso warm anziehen, wie diese Metapher verdeutlicht. "Elven" fokussiert sich nicht auf diejenigen unter uns, die noch nie einen skandinavischen Krimi gesehen haben. Vielmehr wird das Genre hier auf die Spitze getrieben und noch deutlich düsterer, kälter und undurchsichtiger inszeniert, als es bei einem "Lifjord" oder "Modus" der Fall war. Die von Kristine Berg und Arne Berggren (beide "Hotel Caesar") entworfene Schnitzeljagd vergeudet dabei keine unnötige Mühe, den Zuschauer mit Samthandschuhen in die Geschichte einzuführen, was alleine schon der Einstieg mit der kleinen Silja verdeutlicht. Das verletzlich wirkende Mädchen wird nicht nur direkt mit einem abgetrennten Gliedmaß konfrontiert, sondern auch noch mit schrecklichen Machenschaften, die sie heimlich in dem ansässigen Sägewerk beobachtet, ehe sie auf mysteriöse Weise stirbt. Das alles geschieht in der ersten Episode und setzt den bitteren Grundton für die kommenden sieben.
Wer mit dieser anfänglichen Skrupellosigkeit nicht zurecht kommt, und es auch zu deprimierend findet, wenn für mehrere Minuten mal nicht gesprochen wird, um die eisigen Bilder wirken zu lassen, sollte schnell wieder aussteigen. "Elven" wird zu keinem Zeitpunkt freundlicher, eher immer kritischer. Denn neben einem klassischen Krimi ergründet die norwegische Produktion zusätzlich, wie viel Macht das Militär eigentlich haben darf. Ironischerweise sagt Protagonist Thomas zu Anfang noch selbst, dass die Armee nicht mehr tun und lassen kann, was sie will. Doch scheint es auch heutzutage trotzdem noch so zu sein, dass das viele Generäle und Soldaten nicht wüssten und sich jedes Recht rausnehmen. Damit wird "Elven" zu einer Kritik am Militärsystem und wirft die Frage auf, ob in dieser Hinsicht überhaupt genug Transparenz herrscht.
Da der Fokus vor allem auf solch elementaren Themen liegt, schwimmen die meisten Charaktere in ihrer eigenen Oberflächlichkeit. So ist Polizist Thomas zwar ein interessanter Mann, aber niemand, den man als großen Helden anfeuert. Es wirkt tatsächlich so, als ob die Scandi-Produktion jegliche Leidenschaft einfrieren musste, um den dunklen Pfad zu beenden, der mit Silja betreten wurde. Das kann auch in den Nebensträngen gespürt werden. Ob bei der Mutter des verstorbenen Kindes, die sich unter anderem prostituiert und kriminell wird, um sich von ihrer ultra-gläubigen Mutter zu lösen, dem korrupten Polizeichef, oder der obskuren Gestalt im Sägewerk. Gute Laune wird hier nirgends verbreitet. Hardcore-Fans des Genres werden damit also ihre helle Freude haben.
Die erste Staffel von "Elven" läuft ab dem 23. August um 20:15 Uhr bei Arte. Bis zum 21. November ist die Serie auch online verfügbar.