Kann es in Zeiten eines immer stärker fragmentierten Fernsehmarktes noch das eine neue Hit-Format geben? Vielleicht. Glaubt man manchem Fernsehproduzenten, dann sogar ganz bestimmt. Aber sicherlich wird niemand nach Cannes fahren, um dort bei der Fernsehmesse MIPTV von einem Format überrascht zu werden. Diese Zeiten sind weitgehend vorbei - die Formate aus den meisten international relevanten Märkten sind den Fernsehschaffenden auf Klassenfahrt schon bekannt. Deswegen ist die Erkenntnis der MIPTV 2013 vielleicht nicht grundsätzlich neu, aber dennoch bemerkenswert.



In der non-fiktionalen Unterhaltung gibt es derzeit ein Lieblingstier der Fernsehschaffenden rund um den Globus: Den Maulwurf. Die Vielzahl an TV-Formaten, die entweder direkt auf einen Maulwurf unter den eingesetzten Kandidaten bauen oder aber den Zuschauer zum Maulwurf machen, ist spürbar gestiegen. Bei "The Inside Job" aus dem Hause All3Media oder "Sabotage" von Talpa sind die Maulwürfe gleich im Format eingebaut: Entweder, wie bei "The Inside Job", als heimlicher Spion für jenen Arbeitgeber, für den sich die vier ahnungslosen Kandidaten eine Woche lang bewerben oder als Saboteur in John de Mols Abwandlung von "Big Brother" - mit einem Kandidaten im Haus, der gegen alle anderen arbeitet.

Von Endemol kommt das in Kürze in den USA startende Format "Toxic Office: Does someone have to go?", wo Mitarbeiter eines Unternehmens selbst darüber entscheiden müssen, wer gefeuert wird - u.a. in dem sie erfahren, was ihre Kollegen hinter ihrem Rücken vor der Kamera über sie gesagt haben. Im südamerikanischen Format "Everybody and their brother", auf deutsch etwa der Redewendung "Hinz und Kunz" entsprechend, überraschen 100 Menschen völlig ahnungslose Opfer mal in sinnvoller, mal sinnloser Situation. In "13 nights in Vegas", einer Art Dokusoap nach "Hangover"-Vorbild, verfolgen die Zuschauer über mehrere Folgen hinweg die zwei Wochen vor einer Vegas-Hochzeit. Es beginnt mit dem Morgen nach dem Junggesellenabschied mit seinen Kumpel - und arbeitet dann das Geschehene von vorne auf.

Genau hier jedoch zeigt sich ein großes Problem dieses Maulwurf-Trends für den deutschen Fernsehmarkt: Die Glaubwürdigkeit in Zeiten von zu viel Scripted Reality. Schenkt der Zuschauer den Fernsehmachern noch den Glauben, dass eine begleitende Kamera wirklich nur dokumentiert und dem Zuschauer nichts vorgespielt wird? Ein Problem, dass z.B. auch schon "Undercover Boss" in Deutschland hatte - ein weiteres dieser Maulwurf-Formate. Und dann gibt erneut viele weitere Dating- und Reality-Shows, die den Zuschauer auch zum Maulwurf bei mehr oder weniger intimen oder realen Situationen macht. Immer wieder erwischt man sich jedoch dabei, zu hinterfragen, ob es echt ist, was man dort sieht. Wie überraschend oder wie echt es sein kann, wenn eine Kamera dabei ist.

Aber es gibt auch noch zwei weitere Mini-Trends im Formatgeschäft. In Großbritannien, aber nicht nur dort, setzt sich der Trend zu experimentellen Factual-Formaten fort - neuerdings gerne auch mal live übertragen als Event. Besonders amüsant war beispielsweise "Bedtime live", produziert von UK-Produzent Twofour, über die Versuche britische Eltern ihre Kinder ins Bett zu bringen. Die bei Channel 4 gelaufene Sendung war irgendetwas zwischen Experiment und Coaching - mit sehr gemischten Reaktionen. Die Eventisierung von Factual-Programmen - sie war auch schon vergangenen Woche beim Discovery-Upfront in New York spürbar. So will der Discovery-Channel künftig diverse Rekordversuche - etwa einen Seiltanz über den Niagara-Fällen - live übertragen.

Und dann wäre da noch das Stichwort Coaching. Hier dominiert in 2013 ganz klar das Thema Mobbing, das Verhindern von Mobbing und die Rückgewinnung von Selbstbewusstsein bei denen, die Opfer von Mobbing geworden sind. Vorteil dieser Formate: Sie arbeiten in einem sehr weit gefassten Spektrum unterschiedlicher Formen von Mobbing, natürlich insbesondere bei Kindern bzw. in der Schule. Kinder sind ohnehin gefragt: Nicht nur im Bereich Coaching, auch als Gegenstand von Gameshows ("Bet on your baby"). In diesem Genre gibt es auch so manches neue Format, jedoch keine wirklich neuen Impulse in eine eindeutige Richtung. Oftmals gilt eher Evolution als Revolution. Aber wie gesagt: Die hatte ohnehin niemand erwartet als er sich auf den Weg nach Cannes gemacht hat.