Man muss bei diesem Münsteraner „Tatort“ den Beipackzettel gleich zu Beginn auspacken. „Achtung: Nicht lustig!“ Das ist kein Scherz, das ist der bittere Ernst. Der WDR wagt was, das erst einmal Anerkennung verdient, er bricht mit dem Gewöhnlichen. Er holt seine beiden bewährten Lustigkumpels raus aus der Comedyecke und präsentiert mit dem Quotenkönigduo mal wieder einen echten Krimi, also einen Film, in dem es weniger um Witzchen geht als vielmehr um die Frage, wer wen und warum umgebracht hat.
Es geht dabei gleich zweimal um die Amnesie, die Menschen nach einer wilden Nacht plagen kann. Sowohl Kommissar Thiel als auch Pathologe Boerne haben so ihre Probleme damit. In der Hauptgeschichte ist es vor allem Boerne, der so richtig im Mist landet. Auf einer Vernissage lernt er die chinesische Prinzessin, Künstlerin und Dissidentin Songma kennen. Die geht schnell zum Ganzkörperangriff über und will nicht nur Boernes Arbeitsplatz anschauen. Die Pathologie zeigt der Herr Professor als Leichenheini vom Dienst natürlich sehr gerne vor. Hier eine schöne Leiche aus dem Kühlfach, und dann darf Songma auch noch ein echtes Hirn in die Hand nehmen, bevor sie nach einem Näschen Koks dem Hausherren an die Wäsche geht.
Am nächsten Morgen ist Songma tot. Kehle aufgeschnitten. Boerne weiß von nichts, obwohl er gleich neben dem Opfer aufgefunden wird mit jeder Menge weißem Pulver intus. Eine Frau aus dem Labor formuliert das hübsch salopp: „Boerne hatte mehr Kokain im Blut als die Rolling Stones zu ihren besten Zeiten.“ Natürlich gilt der blasierte Pathologe als Täter, und natürlich glaubt sein Kollege Thiel an seine Unschuld. In der Folge geht es hoch her im beschaulichen Münster. Der chinesische Geheimdienst mischt sich ein, die bösen Triaden sind auch schon da, und natürlich machen all diese Asiaten höchst ungern den Mund auf, wenn es um die Frage geht, was das Leid verfolgter Uiguren mit den Vorgängen ind er Studenten- und Beamtenstadt zu tun hat.
Es ist sehr viel Stoff, der da in 90 Minuten verarbeitet wird, und dabei ist jener, der in Boernes Blutbahn zirkuliert, noch außen vorgelassen. Über die Ambition, das große böse Weltgeschehen in die westdeutsche Provinz zu holen, haben der Autor Orkun Ertener und der Regisseur Lars Jessen zudem vergessen, dass ein richtiger Krimi auch ein bisschen Spannung braucht. Alles zieht sich, alles muss erklärt werden, und die Bilder bleiben seltsam matt.
Im Prinzip ist dieser Film ohnehin ein Solo für Axel Prahls Kommissar Thiel. Jan Josef Liefers steht als Boerne meistens nur herum und guckt dumm aus der Anstaltswäsche. Das ist hier und da mal ganz nett anzuschauen, verbraucht sich aber rasch. Zumal der Zuschauer natürlich noch mit der Geschichte von der zweiten Amnesie belästigt wird.
In derselben Nacht, da Boerne bis zur Bewusstlosigkeit mit der chinesischen Prinzessin rummacht, ist auch Thiel dem Koma nah. Er feiert seinen Geburtstag mit Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friedrike Kempter) und erwacht am nächsten Morgen nackt wie Gott ihn schuf. In der Folge steht sehr lange die Frage im Raum, ob die beiden nun etwas miteinander hatten. Gähn.
Man darf diesen Versuch, den Münsteraner „Tatort“ dem Comedyzwang zu entreißen, getrost als Vollflop abtun, der möglicherweise nur einen Zweck hat. Zu beweisen, dass Boerne und Thiel als alberne Sprücheklopfer immer noch die bessere Wahl sind.
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