Könnte mal irgendwer den „Tatort“-Organisatoren sagen, dass sie sich mit den Seitensträngen ihrer Filme etwas mehr Mühe geben sollten? Ja, es ist okay, wenn ich ein bisschen was vom privaten Hintergrund der Ermittler erfahre, aber es nervt, wenn ich schon nach drei Seitenschritten genervt bin von den heimischen Problemchen des Herrn Kommissars. Im neuen Stuttgarter Fall sind es die Nöte von Ermittler Sebastian Bootz (Felix Klare). Der soll sich als Teilzeitvater etablieren, ist der Rolle nicht gewachsen und verpasst deshalb wichtige Einsätze im Job, was seinen Kollegen Thorsten Lannert (Richie Müller) nicht nur einmal in sehr heikle Situationen führt.
Wäre das schön gespielt, gäbe es kein Problem. Aber Regisseur Oliver Kienle reicht es sehr offensichtlich, dass sein Protagonist als überforderter Erzieher ein wenig vor sich hin dilettiert und hilflos mitansehen muss, wie sein Sohn das Handy des Vaters einem Badewannentest unterzieht, was das Handy naturgemäß nicht überlebt. In der Folge steht Kollege Lannert in bedrohlicher Lage ohne Unterstützung da, was böse hätte enden könnte, es gottlob aber nicht tut.
Dabei hätte dieser „Tatort“ durchaus das Zeug gehabt, ein sehr ordentlicher zu werden. Der von Autor Wolfgang Stauch konstruierte Fall um einen ermordeten Sozialarbeiter, desorientierte Jugendliche und dubiose Gönner führt geradewegs in ein ziemlich dichtes Netz aus Verwirrung, Verödung und falschen Spuren. Rasch fragen sich Lannert und Bootz, wer die Kraft hatte, den Sozialarbeiter erst ohnmächtig zu schlagen und ihn dann in der Kloschüssel zu ertränken. Etwa die zierliche Sarah, die vor allem dadurch auffällt, dass sie, wenn sie gerade keine patzigen Antworten gibt, viel zu alte Musik aus ihren Ohrhörern quellen lässt? Sie hört Stones und Metallica, was für eine 13-Jährige nicht unbedingt zwingend die allererste Vorliebe sein sollte und mit dem Zaunpfahl darauf hinweist, dass sie unter Einfluss einer viel älteren Person steht.
Zunehmend entwickelt sich diese Sarah zum Mittelpunkt des Falls. Sie pampt die Kommissare an in einer vermeintlichen Jugendsprache, die ein bisschen sehr nach Autorenphantasie klingt. „Wir haben hier alle so’ne Bullenallergie, weißt du“, sagt sie, und danach braucht man eine ganze Weile, bis man die Figur der Sarah wieder ernst nehmen kann. Sarah gesteht den Mord. Da sie erst ein paar Tage später 14 Jahre alt wird, kann sie dafür nicht belangt werden. Rasch wird aber deutlich, dass sie es nicht war, dass sie jemanden deckt.
Es ist der Sarah-Darstellerin Ruby O. Fee zu verdanken, dass dieser „Tatort“ am Ende trotz aller Mängel und Bemühtheit ein sehr besonderer wird. Sie gibt dieser Rotzgöre, die zwischen Wollen und Verzweiflung, zwischen Ambition und Anarchie pendelt, ein sehr überzeugendes Gesicht. Sie kotzt der Umgebung ihre Verachtung ins Gesicht und sehnt sich doch sichtlich nach Anerkennung. Mit solch einer Unsicherheit als Schauspielerin umzugehen, ist keine leichte Aufgabe. Ruby O. Fee bewältigt sie mit Bravour.
Da nimmt man dann auch in Kauf, dass die Kommissare eher von der Erkenntnis-Abhak-Sorte sind und kaum je wirklich Belangvolles beisteuern. Nur einmal wird es tatsächlich lustig. Da ist zu sehen, wie man in Stuttgart einen heranstürmenden Kampfhund stoppt. Man ruft nur kurz „Hallöle“, und schon stoppt die Töle ihren Killerkurs. So einfach wünsche mir das Leben manchmal auch.
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