„Gerechtigkeit“, sagt Reto Flückiger. Ein Wort nur. Vorher nichts, hinterher nichts. Derweil schmiegt sich die Kamera verliebt ans markante Profil des Luzerner Ermittlers. Nach dieser Szene ist auch dem letzten klar, dass etwas nicht in Ordnung ist mit dem Rechtssystem in der Schweiz. Leider ist zu diesem Zeitpunkt aber auch schon klar, dass es nicht viel werden wird mit diesem Start in die neue „Tatort“-Saison.

Aus unerfindlichen Gründen hat es den „Tatort“-Koordinatoren gefallen, diesen Sommer mit zwei „Tatort“-Ausgaben aus der Schweiz einzurahmen. Eine vor den Wiederholungen, eine nun danach. Die vor dem Sommer fiel unfassbar öde aus und wirkte, als wolle die ARD den vorübergehenden Abschied vom sonntäglichen Ritual leichter machen. Die Folge nach dem Sommer ist indes nur wenig besser geworden.

Zwei Albaner werden erschossen. Morgens vor ihrem Haus. Ein Heckenschütze hat sie ins Visier genommen. Aus einem dunklen Transporter heraus. Er schießt, er schaut, und dann senkt er die Tarnklappe an seinem Gefährt und rauscht davon.
Antoine Monot jr. spielt diesen Heckenschützen, der im Verlauf des Films noch weitere Menschen erschießen wird. Laut Drehbuch soll er wohl einen verzweifelten Gatten darstellen, dessen Frau weitgehend schweigt, weil sie offenbar einem schweren Verbrechen zum Opfer gefallen ist, das die Schweizer Justiz aber nicht ahnden mag, weil die Gerichte überlastet sind und auch Jahre nach einer Tat nicht den Prozess eröffnen. Nun schwingt sich der brave Ehemann auf, die ausbleibende Rechtsprechung selbst in die Hand zu nehmen. Quasi auf eigene Faust. Er ist nun das Recht, und damit trägt er auch ein bisschen Schuld an der verquasten „Gerechtigkeit“-Szene des Kommissars.

Die Figur des Rächers ist eine interessante. Man muss bei diesem Film leider sagen, sie könnte eine interessante sein, hätte man sie nicht Antoine Monot jr. übertragen. Der massige Mann, der in seinem Bart problemlos ein komplettes Dschungelcamp beherbergen könnte, ist derzeit offenbar sehr beliebt bei Castingagenturen. Im Bremer „Tatort“ durfte er mal kurz den Geliebten der Kommissarin spielen, wurde dann aber niedergemetzelt. In der Elektromarktwerbung ist er überpräsent, und auch bei Pro Siebens Streicheshow „Prankenstein“ zählt er zum Team. Demnächst ist er zudem als Sascha Hehns Sohn in einer neuen Folge von „Lerchenberg“ zu sehen.

Leider ist Monot jr. ein mimischer Komplettausfall. Das mag zur einen Hälfte am Bart liegen, zum anderen aber ziemlich sicher an mangelnden schauspielerischen Fähigkeiten. Leider steht ihm nämlich nur ein Gesicht zur Verfügung, und das bleibt stets wie es ist. Lediglich die riesigen Augen quellen mal mehr und mal weniger aus dem Kopf. Das mag für die Werbung reichen, dass da einer den lustigen Zottelbär mit Gesichtsgebirge gibt, für einen anständigen Film ist es eine Katastrophe. Somit zerschießt Monot jr. buchstäblich den ganzen Film, der möglicherweise etwas hätte werden können, weil das Drehbuch von Urs Bühler durchaus pfiffig angelegt ist. Aber gegen die einmal getätigte Fehlbesetzung kam Regisseur Florian Froschmayer dann nicht mehr an.

Ein bisschen wirkt der ganze Film, als hätte der Regisseur früh gemerkt, dass er gegen Monot jr. keine Chance hat. In der Not hat er sich dann auf manierierte Kunstfotos verlegt. Immer wieder Flückiger im Profil, denkend, grübelnd, „Gerechtigkeit“ sagend. Und weil wohl früh zu merken war, dass das alles nicht reicht, hat Froschmayer versucht, den Film wenigstens über die Optik zu retten. So dürften die Hinrichtungsszenen für angehende Splatterfreunde ein schöner Genuss sein. Beinahe künstlerisch ist da der Moment inszeniert, in dem die Kugel den Kopf der zu Richtenden trifft, in dem das Blut spritzt und die Körper von der Wucht des Angriffs weggerissen werden. Das ist aus visueller Hinsicht als hohe Kunst zu werten.

Inhaltlich wirkt es indes wie ein moralisch durchaus bedenklicher Hilferuf des Regisseurs, zumal hinterher, auch das wird sehr ausführlich gezeigt, auf dem Bürgersteig mehr Hirn bleibt als in den Köpfen mancher Akteure. Den Gnadenstoß gibt dem Film indes die Musik von Adrian Frutiger. Die besteht vorwiegend aus Elektroschrott, der in den meisten Szenen klingt, als stehe gerade ein riesiger Trafo vor der Überlastung. Es zischt, es zwirbelt, und ständig wabert akustischer Nebel aus den Lautsprechern.

So ist dieser „Ihr werdet gerichtet“ betitelte „Tatort“ letztlich dann doch wieder ein Mut machender Einstieg in die neue Saison. Man ist sich hinterher sehr sicher: Das kann jetzt in den nächsten Wochen und Monaten nur noch besser werden. Auch eine Art, Optimismus zu erzeugen.