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Ob "Verdachtsfälle" oder "Betrugsfälle": Formate dieser Art sind für RTL vor allem ein enormer Glückfall. Mit seinen Sendungen am Nachmittag fährt der Kölner Privatsender am Nachmittag inzwischen regelmäßig Spitzen-Quoten ein und erzielt inzwischen nicht selten sogar Marktanteile von mehr als 30 Prozent.

Das Erfolgsrezept heißt Scripted Reality - eine Welt mit Laienschauspielern. Bei den Öffentlich-Rechtlichen waren solche Formate bislang Tabu, doch Interesse gibt es angesichts der großen Erfolge von RTL inzwischen auch von deren Seite. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet von einem im Juni im NDR-Programmbereich Kultur und Dokumentation entstandenen Papier mit dem Titel "Scripted Reality - eine Chance für den NDR?".

Und in der Tat: Der NDR scheint Gefallen an der Realität aus dem Drehbuch gefunden zu haben. "Als erster öffentlich-rechtlicher Sender haben Jürgen Meier-Beer und ich für den NDR Kontakt zu den führenden und erfolgreichen deutschen Produzenten von Scripted Reality aufgenommen", wird Autor Christian Stichler zitiert. Die Produktionsfirmen Norddeich TV, Filmpool und Stampfwerk, die verantwortlich sind für "Familien im Brennpunkt" & Co., stehen wohl bereit. Und weiter heißt es: "In einer Übersetzung für die Sehgewohnheiten unserer Zuschauer könnte diese Erzählweise auch im öffentlich-rechtlichen Umfeld funktionieren."

Doch wie könnte Scripted Reality abseits der Trash-Schiene des RTL-Nachmittags aussehen? In Frage kommen offenbar Geschichten, die man in Form einer gewöhnlichen Dokusoap nicht erzählen kann - etwa die Arbeit eines Anwalts auf dem Lande, weil beispielsweise Personen unkenntlich gemacht werden müssten. "Das heißt, wir spielen diese Geschichten nach - in den Formen von Scripted Reality", zitiert die "SZ" aus dem Geheimpapier des NDR. Im Idealfall würden der Anwalt oder der Dorfpolizist die Rolle übernehmen, auf die eingesetzten Laienschauspieler soll im Abspann hingewiesen werden. Solche Formate könnten dann im Hauptabendprogramm des NDR Fernsehen zu sehen sein.

NDR-Programmdirektor Frank Beckmann beschwichtigte im Hinblick auf Scripted Reality: "Das stimmt nur zum Teil", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Der Sender prüfe gerade, ob es gelingt, "fiktionale Geschichten mit einfacheren Produktionsmitteln zu erzählen". Es gehe um "neue Produktionsformen und Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen". Denkverbote dürfe es aber nicht geben. Wie auch immer: Studio Hamburg bereitet sich schon jetzt auf Formate dieser Art vor: Eines über einen Dorfpolizisten, ein weiteres über das Phänomen Kreuzfahrt, das im NDR zuletzt ohnehin immer wieder stark gefragt war.