Aktuell veranstaltet 9Live beispielsweise werktags nur noch zwischen 13.15 Uhr und 16.20 Uhr sowie von 19.35 Uhr bis 01.30 Uhr Call-In-Gewinnspiele. Mit rund 9 Stunden eigenem Programm täglich ist man weit vom einstigen 24-Stunden-Livebetrieb entfernt, der noch Christiane zu Salms Ziel war. Stattdessen füllen Fenster-Programme von Astro über Shopping bis zu Erotik das Programm. Auch hier gilt: Es gab einmal die Zeit, da wollte 9Live demonstrativ nicht nur auf Werbung sondern auch auf Erotik verzichten.
Doch diese Absichten sind lange her, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten sehen heute anders aus: Um das Umsatzlevel wenigstens halten zu können, ist der Ausverkauf des eigenen Senders unumgänglich. Doch zum Pech für 9Live bekommt der Transaktionssender Konkurrenz aus der eigenen Senderfamilie. Ein Halten des Umsatzniveaus ist damit nicht mehr genug - und die Tage von 9Live möglicherweise bis Sommer 2011 gezählt. Die besondere Tragik: 9Live wurde einst aus dem Frauensender tm3 heraus geboren. 2011 könnte ein Frauensender ihn beerben.
Im vergangenen Mai startete die ProSiebenSat.1 Media AG den Frauensender Sixx, der am Anfang nur digital verbreitet wurde. Das Konzept des jungen Senders: Durch geringe Kosten bei Verbreitung, Programm und Personal schnell profitabel werden und das obwohl man auf klassische Unterbrecherwerbung verzichten will. Im Sommer aber zeichneten sich erste Pläne ab, aus dem rein digitalen Sender mehr zu machen als eine experimentelle Spielwiese.
Thomas Wagner, Chef des Vermarkters SevenOne Media, verriet bei einem Pressetermin am Rande des Sommer-Screenings für die Werbekunden, dass die Sixx-Vermarktung künftig eine größere Rolle spielen werde. Anfang Oktober kam dann die Überraschung: Sixx wird ab Januar 2011 auch analog über Satellit verbreitet und baut seine Reichweite um 5,5 Millionen Haushalte aus. Man darf das wohl eine wichtige Voraussetzung für die bessere Vermarktbarkeit nennen. Doch wenn 2012 ohnehin die analoge TV-Verbreitung eingestellt werden soll, warum kurzfristig dieser Schritt bei Sixx?
Schafft er das nicht, wovon pikanterweise zahlreiche Kollegen in der ProSiebenSat.1 Media AG ausgehen, soll der Sommer 2011 nach DWDL.de-Informationen für den großen Auftritt von Sixx genutzt werden. Nach der analogen Ausstrahlung via Satellit könnte die Übernahme des analogen Kabelplatzes von 9Live die maximale Verbreitung für den Frauensender bedeuten, die sich pünktlich zum Start in die neue TV-Saison 2011/12 damit vollwertig vermarkten lässt. Bedingung dafür sei neben der erwartet schlechten Entwicklung von 9Live auch eine weitere Erholung des TV-Werbemarktes.
Welche Tragik für 9Live: Im Jahr 2001 aus einem Frauensender heraus geboren und zehn Jahre danach von einem Frauensender verdrängt? Die Uhr tickt und die Chancen für 9Live-Geschäftsführer Ralf Bartoleit schwinden. Sixx hat, was 9Live fehlt: Die Synergien und Sympathien einer eng verzahnten und zusammenarbeitenden Sendergruppe. Ironie des Schicksals: Die quälende Ungewissheit über die eigene Zukunft - sie zerrt mindestens so an den Nerven der Mitarbeiter wie die 9Live-Gewinnspiele sonst an den Nerven der Zuschauer. Alle warten auf den Hot-Button.