In zweieinhalb Wochen findet der Eurovision Song Contest in Düsseldorf statt - doch ein echtes ESC-Fieber will sich hierzulande bislang nicht einstellen. Derzeit überwiegen in den Medien eher Negativ-Meldungen, etwa über Lenas angeblich schlecht laufende Tour. Thomas Schreiber, der bei der ARD für die Organisation des Eurovision Song Contests verantwortlich ist, verteidigt die Entscheidung, Lena erneut antreten zu lassen, in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dennoch erneut als "einzig richtige Entscheidung".

"Was hätte ein neues Talent noch besser als Lena machen können? Jeder Nachfolger wäre nur kritisiert worden. Selbst als Sieger wäre er bloß der Sieger, der nach Lena kam." Für Lena sei es hingegen eine "lösbare Aufgabe" zumindest ordentlich abzuschneiden. "Es gilt der Satz, der in Oslo richtig war: Top Ten ist gut. Mein Anspruch: Wir treten nicht an, um zu verlieren." Nach diesem Jahr solle dann aber ein "klarer Strich" gezogen und neu begonnen werden werden - zumindest "nach heutigem Stand", so Schreiber. "Lena im ESC forever, das wollte ich niemandem zumuten, auch Lena nicht."

 

 

Dass der Hype oder auch ein Nationalgefühl wie etwa vor der WM im eigenen Land bislang ausblieb, sieht Schreiber gelassen. "Sobald die ersten Delegationen in Düsseldorf sind und sich die Berichterstattung intensiviert, wird das Bewusstsein dafür, dass der ESC in Deutschland ist, zunehmen." Wichtig sei nun, wie man sich der Welt präsentiere - und da gebe man mit dem Motto "Feel your heart beat" die Richtung vor. "Der Herzschlag und damit die Emotion ist nicht die erste Assoziation, die man mit Deutschen und Deutschland hat. Wir wollen eine Show machen, die auch diese emotionalen Momente hat, in denen nicht nur die Künstler, sondern auch die Fernsehzuschauer ihren Herzschlag spüren."

Um das zu schaffen, will man auch aus den Shows der vergangenen Jahre lernen. Auch wenn der ESC in Düsseldorf vor 35.000 Zuschauern stattfindet, sei es - anders als in Moskau - nicht um die schiere Größe gegangen. "Der Kern des künstlerischen Konzepts ist, in dieser Größe Nähe herzustellen", so Schreiber. In Moskau hingegen habe man eine riesige Bühne gebaut auf der Patricia Kaas "wie eine Ameise auf einer Glasplatte" ausgesehen habe. Das seien "keine humanen Dimensionen" gewesen. In Oslo sei das Problem gewesen, dass man die Zuschauer nicht gesehen habe. "Eine Show wie diese lebt doch davon, dass Sie sehen, was im Publikum passiert. Bei uns wird das Publikum Teil der Inszenierung und um die ganze Bühne sitzen."

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Während die ARD bei der Inszenierung die Zügel selbst in der Hand hat, muss man bei der musikalischen Qualität aber auf die Mitwirkung der einzelnen Länder hoffen. Hier appelliert Schreiber für die Zukunft an seine europäischen Kollegen: "Nur wenn der ESC musikalisch ernst genommen wird, hat er auch aus meiner Sicht eine ernstzunehmende Zukunft. Das kann die größte Show der Welt werden. Aber nur dann, wenn die einzelnen Länder, und auch die, die für die Popmusik wichtig sind, das ernst nehmen." Dazu gehöre dann auch, dass kein einzelner BBC-Redakteur entscheide, wer für die Briten antrete. "Es gibt einen Beschluss, dass im nächsten Jahr alle Teilnehmer durch das Publikum ausgewählt werden müssen. Wir haben schon das Ziel, aus der Ironisierung und dem rein folkloristischen Element herauszukommen."