Marketing-Angriffe auf die klassische Hauptsendezeit sind derzeit keine Seltenheit. "Du bestimmst, wann Prime Time ist", verkündet Netflix in seiner Werbung. Und das ZDF-Werbefernsehen preist sein Vorabendprogramm seit Wochen als "Die neue Primetime" an. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Die großen Privatsender kämpfen auch und gerade nach 20.15 Uhr mit spürbaren Leistungs- und Reichweitenverlusten.

In diese Kerbe haut ZDF-Chefvermarkter Hans-Joachim Strauch, der eigens zum Pressegespräch nach Mainz lud, um seine Kampagne mit Zahlen zu unterfüttern. Zwischen 17 und 20 Uhr, so zeigen es die AGF/GfK-Quoten für Januar bis August, hat das Zweite eine durchschnittliche Werbeblock-Reichweite von 2,64 Millionen Zuschauern ab 14 Jahren. Das Erste hängt mit 1,72 Millionen weit dahinter, RTL mit 1,50 und Sat.1 mit 1,18 Millionen erst recht.

Doch selbst im Vergleich zum kommerziellen Hauptabend stehen die Mainzelmännchen bei dieser Betrachtungsweise in einem guten Licht: Mit durchschnittlich 2,33 Millionen Zuschauern ab 14 erreichte RTL zwischen 20 und 23 Uhr weniger Masse in den Werbeblöcken als die 2,64 Millionen im ZDF-Werberahmenprogramm. Strauch weiß die Werte durch zig soziodemografische Gruppen zu deklinieren und tut es mit Genuss. 1,60 Millionen Frauen an seinem Vorabend stehen 1,50 Millionen in der RTL-Primetime gegenüber. Bei den Haushaltsführenden siegt das ZDF mit 1,86 zu 1,54 Millionen, bei Premium- und Markenkäufern mit 1,00 zu 0,72 Millionen und bei Immobilienbesitzern mit 1,36 zu 1,06 Millionen. Jeweils ZDF-Vorabend gegen RTL-Hauptabend, jeweils in den Werbeinseln.

"Früher wurde die Primetime im Markt immer durch die Höhe der Programminvestitionen und der Reichweiten definiert", so Strauch. "Beides spricht heute gegen die Privaten, deren Primetime an Relevanz verliert, und dafür, dass wir zwischen 17 und 20 Uhr die neue Primetime haben." Jede Menge US-Kaufserien und sparsam produzierte Factual-Entertainment-Formate stünden eigenproduzierten ZDF-Serien wie den "Rosenheim-Cops" oder den "Sokos" gegenüber - mit Qualität und Produktionskosten auf Primetime-Niveau. Für das Mainzer Umfeld sprächen zudem die kürzeren Werbeblocklängen sowie die exklusiven Mainzelmännchen-Inserts, die die Spots trennen und von denen jedes Jahr 800 neue produziert werden.

Gesetzlich ist das ZDF als gebührenfinanzierte Anstalt in seinen Werbezeiten stark eingeschränkt. Mehr als 20 Minuten täglich sind im Jahresdurchschnitt nicht drin. 2013 waren alle Werbeblöcke ausgebucht, die KEF stellte Werbeerträge von 116,5 Millionen Euro fest. Fürs laufende Jahr geht Strauch erneut von Vollauslastung aus - und von 10 Prozent Plus bei den Nettoeinnahmen. Warum dann die große Kampagne, wenn die Plätze eh schon zugeteilt werden müssen? "Wir wollen unabhängiger von einzelnen Großkunden werden und unsere Kundenstruktur demokratisieren", sagt der Geschäftsführer des ZDF-Werbefernsehens. Gemeint ist: weniger Pharmaindustrie, mehr Markenartikler und Konsumgüter, die früher schon mal stärker am ZDF-Vorabend vertreten waren. Vom 7. bis 16. Oktober läuft die Roadshow zur Jahrespräsentation für 2015, auf der Kunden und Agenturen Strauchs Argumente zu hören kriegen werden.