Es hätte so schön sein können: Nach seinem Abschied von "Wetten, dass..?" wechselte Thomas Gottschalk einst bekanntlich zur ARD - in der Hoffnung, den brachliegenden Vorabend endlich in Schwung bringen zu können. Doch es kam alles anders. Mit mehr als vier Millionen Zuschauern gestartet, verlor "Gottschalk Live" rasant an Boden und verzeichnete zuletzt sogar weniger als eine Million Zuschauer. Nicht mal ein halbes Jahr nach seinem Start gehört das Projekt schon wieder der Vergangenheit an und damit auch Gottschalks Ausflug ins Erste. Knapp drei Jahre nach Einstellung der Show holt dieses in vierlerei Hinsicht denkwürdige Kapitel die ARD allerdings noch einmal ein.

Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, kurz AG Dok, machte vor wenigen Tagen Zahlen öffentlich, wonach Gottschalk vom WDR alleine für seine Vorabendshow nach deren Absetzung mehr als 2,2 Millionen Euro kassierte. Geplant waren demnach ursprünglich 144 Folgen, von denen jedoch letztlich nicht mal halb so viele produziert wurden. Weitere 400.000 Euro soll Gottschalk zudem für zwei geplante Abendshows haben, deren Ausstrahlung letztlich ebenfalls nie erfolgte. Nachdem die Kritik am WDR in den vergangenen Tagen immer lauter wurde, hat der Sender nun eine umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht - allerdings ohne Angaben zu konkreten Summen über Honoraren oder Produktionskosten  zu machen. Diese seien Teil der Verschwiegenheitsklausel bei Verträgen mit externen Produzenten, an die der WDR gebunden sei.

Und doch sind die Erklärungen des Senders interessant. Demnach hat die Degeto im Jahr 2011 für die ARD-Werbegesellschaften mit der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment (heute UFA Show) einen Vertrag über die Produktion von "Gottschalk Live" mit Thomas Gottschalk abgeschlossen. Grundlage für diesen Vertrag sei eine von der Grundy Light Entertainment und der WDR Mediagroup unterzeichnete Absichtserklärung gewesen. Vereinbart worden sei ein Honorar für Gottschalk, "das aus Sicht der damals Beteiligten seiner Bekanntheit und seinem Marktwert als einer der beliebtesten Moderatoren in Deutschland und der exklusiven Zusammenarbeit Rechnung trug", wie es nun heißt. Anders ausgedrückt: Man wollte Gottschalk - koste er, was er wolle.

Zugleich betont der WDR, dass "Gottschalk Live" im werbe-finanzierten Vorabend lief und ausschließlich über Werbeeinnahmen finanziert wurde. "Es wurde kein Gebührengeld ausgegeben", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung. "Folglich war auch keine Gremienzustimmung einzuholen, denn es bestand keine finanzielle Verpflichtung der Landesrundfunkanstalten, sondern der Werbetöchter." Bestandteil des Produktionsvertrags war laut WDR auch ein Sonderkündigungsrecht für den Fall des Misserfolgs - das sei jedoch "branchenüblich". Dieses umfasste die Fortzahlung von Gottschalks Honorar bis zum Ende der Vertragszeit - für den Moderator war das Risiko also zumindest finanziell von Beginn an überschaubar.

Bei den Vertragsverhandlungen mit Grundy Light Entertainment habe es im Jahr 2011 zunächst Überlegungen, dass Thomas Gottschalk für die Moderation von zwei zusätzlichen Primetime-Shows für das Erste ein zusätzliches Honorar erhalten sollte. Anders als von der AG Dok dargestellt, seien diese Überlegungen jedoch nicht weiter verfolgt und somit auch nicht Gegenstand eines Vertrages geworden. Stattdessen wurde vereinbart, dass Gottschalk bei einem vorzeitigen Ende des Formats im Rahmen des für "Gottschalk Live" vereinbarten Honorars und des vereinbarten Vertragszeitraums bis Ende 2012 für die Moderation von anderen Shows ohne zusätzliches Honorar zur Verfügung steht.

Zu diesen Shows kam es jedoch gar nicht erst - die damals Beteiligten verweisen darauf, dass es innerhalb eines halben Jahres nicht gelungen sei, "ein dem ehemaligen 'Wetten, dass..?'-Moderator entsprechend angemessenes Show-Format zu entwickeln und zu produzieren". Da das Aus von "Gottschalk Live" bereits im April bekannt wurde, wären jedoch immerhin noch acht Monate verblieben, um sich an zwei Abendshows mit Gottschalk zu probieren. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie viel früher man "Gottschalk Live" hätte abbrechen müssen, um noch genügend Entwicklungszeit für neue Projekte mit dem Star-Moderator zu haben.

"Die ökonomischste Lösung"

Die große Show-Bühne betrat Gottschalk letztlich nie. Stattdessen saß er nur wenige Monate nach dem Ende seines Vorabend-Flops bei RTL in der "Supertalent"-Jury - zu einem Zeitpunkt also, in dem er für die ARD noch ohne zusätzliches Honoror hätte moderieren können. Der WDR verweist nun darauf, dass die Produktion zweier Abendshows im Übrigen mit Gebührengeld hätte finanziert werden müssen - ein Argument, das freilich nicht so recht greifen mag, kostet doch auch die Produktion jedes anderen Formats Gebührengeld. Mit dem Unterschied, dass man in diesem Falle Thomas Gottschalk quasi frei Haus geliefert bekommen hätte.

Beim WDR, der damals noch von Gottschalk-Verfechertin Monika Piel geführt wurde, sah man das offenbar anders: "Aus Sicht der damals Verantwortlichen war es daher die ökonomischste Lösung, von der Moderation weiterer Formate durch Thomas Gottschalk Abstand zu nehmen." Alternativ hätte es die Möglichkeit gegeben, Thomas Gottschalk ein bestehendes Format moderieren zu lassen, was jedoch Ausfallhonorare für andere Moderatoren zur Folge gehabt hätte. Wie die heutige Geschäftsführung um Tom Buhrow über die Entscheidungen der Vorgänger denkt, bleibt offen. Fraglich ist allerdings, ob Buhrow während seines Auftritts bei "Gottschalk Live" im April 2012 derart beherzt die Saiten geschwungen hätte, wären ihm die Kosten des Unterfangens schon damals bekannt gewesen. Bereits eine Woche später wurde das Aus übrigens besiegelt.

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