Ob "Morgen hör ich auf", "Schuld" oder "Blochin": ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler ist zufrieden mit der Akzeptanz unkonventioneller Serienstoffe und will auch in Zukunft daran anknüpfen. "Wir werden ambitionierte Serien nach den guten Erfahrungen des letzten Jahres künftig mindestens zweimal im Jahr im Programm haben und auch für ZDFneo und das 'Junge Angebot' besondere serielle Formate entwickeln", sagte Himmler in einem Interview mit "promedia", das in Gänze nun auch auf "medienpolitik.net" nachzulesen ist.

"Derzeit entwickeln wir neue Serienprojekte, die mit herkömmlichen Erzählweisen und Sujets brechen. Für die Primetime arbeiten wir mit der Autorin Natalie Scharf an einer horizontal erzählten Serie, die am ungarischen Plattensee spielt - ein besonderer Ort, an dem vor dem Fall der Mauer Menschen aus beiden Seiten Deutschlands Urlaub gemacht haben", so der ZDF-Programmdirektor. Aktuell wird zusammen mit dem ORF der historische Dreiteiler "Das Leben des Kaisers Maximilian" gedreht, zudem realisiert das ZDF mit dem Schweizer Fernsehen einen Zweiteiler über den Bau des Gotthardtunnels. Gleichzeitig soll in "Berlin 74 - The Same Sky" vom geteilten Deutschland erzählt werden.

Noch in diesem Jahr soll außerdem die erste eigenproduzierte Serie bei ZDFneo an den Start gebracht werden, wie Himmler betonte. Gespart wird hingegen an anderer Stelle: "Wir machen in den letzten Jahren eher mehr Filme und Serien deutscher oder europäischer Herkunft als weniger und geben dafür weniger Geld für amerikanische Lizenzware aus." Innovation und Erneuerung spielten eine immer größere Rolle, erklärte der Programmchef gegenüber "promedia". "Der Markt ist zurzeit sehr in Bewegung, es kommen neue Akteure wie Amazon und Netflix dazu. Das sorgt auch im linearen Fernsehen für Bewegung."

Das ZDF habe allerdings einen anderen Anspruch. "Wir senden für ein breites Publikum und wollen für unsere Programme eine deutsche oder europäische Handschrift oder Perspektive. Daher sind wir auf dem deutschen Markt die erste Adresse für Kreative und werden das auch bleiben", so Himmler. Mit Blick auf die jüngsten Ankündigungen von Netflix und Amazon, auch deutsche Serien produzieren zu wollen, gibt sich der Programmdirektor betont gelassen. Dass er sich künftig mit der zweiten Wahl begnügen muss, glaubt Himmler jedenfalls nicht: "Dagegen spricht schon der reine Umfang: Zwei Serien mit wenigen Folgen sind bei Weitem nicht alles, was die deutsche Prouzentenlandschaft an exzellenten Programmen hervorbringen kann."

Doch auch wenn das ZDF mit Blick auf die Produktion neuer Miniserien nicht nachlassen will, so sollen auch traditionelle Produktionen weiterhin nicht zu kurz kommen. Der deutsche Fernsehzuschauer sei "ein Gewohnheitsmensch und liebt seinen 'Bergdoktor' und die 'Rosenheim-Cops'", gibt Norbert Himmler zu bedenken. "Diese Erfolgsformate modernisieren wir und entwickeln wir konsequent weiter. Beim Samstagskrimi haben wir in den letzten zwei Jahren sechs neue Reihen entwickelt und gestartet. Für unsere Vorabend-Serien gilt das Gleiche: Wir streben einen ausgewogenen Mix aus populären, langlaufenden Programmen an und neuen wie neuartigen Serien, die den Zuschauer überraschen."

Generell sei die Fiktion "ein wichtiger Spiegel der Realität", erklärte Himmler, angesprochen auf die fiktionale Strategie seines Senders. "In fiktionalen Programmen lässt sich die Bandbreite deutscher Lebenswirklichkeit viel eindringlicher und nachdrücklicher gestalten als in mancher Dokumentation oder Reportage. Fiktion ist dabei identitätsstiftend, sei es in der Identifikation mit den Figuren oder in ihrer Ablehnung. Gleiches gilt für Fragen der Moral oder Ethik." Gleichzeitig möge man beim ZDF "besondere, abseitige Charaktere", wie Himmler sagt. "Das schließt Hajo Eichwald, den fluchenden Hinterbänkler aus dem Bundestag, ebenso ein wie den Gelegenheitrapper Eco Fresh aus seinem Kölner Kiez oder Saga Norén, unsere liebenswürdig, sonderbare Kommissarin aus Kopenhagen."

Vielfalt sei der Anspruch - "auch und gerade in unseren fiktionalen Programmen", so Himmler, der in dem Interview auch die Vielzahl an Krimis verteidigt. "Unsere Krimis zeigen eine große Breite an Grenes in Figuren, Themen, Erzählweisen und Bildsprache. "Diese reicht von Krimis mit stark komödiantischem Anteil wie 'Wilsberg' über den eher ambitioniert erzählten 'Spreewaldkrimi', den politisch brisanten und actionreichen 'Dengler' bis hin zu Reihen, die auf innovative Weise mit den Möglichkeiten des Genres spielen. Von daher wird es auch nicht 'den' ZDF-Krimi der Zukunft geben."

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