Über das mal sehr erfolgreiche, mal schwierige Tagesgeschäft hinaus bleiben in diesen Monaten viele große Medienkonzerne eine Strategie für die Zukunft schuldig. Ratlos sind oftmals selbst hochrangige Führungskräfte. In einer selten erlebten Häufung von Hängepartien kommen derzeit viele Konzerne der Medienbranche auf strategischer Ebene zum Erliegen. Das Dilemma betrifft sowohl den deutschen Markt wie auch die internationalen Medien- bzw. Fernsehwelt. Wo soll man anfangen?

Schon seit Oktober 2016 will beispielsweise der US-Telekommunikationskonzern AT&T das Medienhaus Time Warner übernehmen, zu dem neben dem Hollywoodstudio und TV-Produzenten Warner Bros. auch die Sender von Turner Broadcasting System sowie der Pay-TV-Kanal HBO und der Nachrichtensender CNN gehören. Die US-Regierung mauert. Mancher in den Staaten glaubt gar an eine Rache am von US-Präsident Donald Trump so ungeliebten CNN.

Kommt es zur Komplettübernahme oder wird zerschlagen? Wer gehört künftig zu wem und welche Geschäftsbereiche haben dann Priorität? Fragen, die letztlich auch Produktion und Vertrieb von Warner Bros. sowie die Sender von Turner Broadcasting System in Deutschland betreffen. In London wiederum wartet Gerhard Zeiler, seit April 2012 verantwortlich fürs internationale Geschäft von Turner, ebenso auf Signale, welche Rolle die von ihm verantworteten Bereiche eigentlich für den bislang sehr US-fokussierten Telekom-Riesen AT&T spielt.

Zurück in München rätselt die Branche gemeinsam mit den Disney-Mitarbeiter an der Isar, wie es für die Weltmarke in Deutschland weitergeht. Seit Sommer 2017 häufen sich prominente Abgänge. Besonders skuril: Keiner davon wurde offiziell kommuniziert. Was geht vor sich in der deutschen Dependance? Auch darauf gibt es keine Antworten. Dabei könnte es durchaus aufregend werden: Mitte Dezember kündigte die Konzernmutter schließlich die Übernahme weiter Teile von 21st Century Fox an. Der Entertainment-Gigant wird immer größer.

Die Auswirkungen dieses Milliarden-Deals in den USA auf den deutschen Markt werden spürbar sein. Unklar aber noch, wie genau. Bei Sky Deutschland in Unterföhring wurde besonders laut geseufzt bei der Bekanntgabe des Disney/Fox-Deal sim Dezember. Seit mehr als einem Jahr versucht 21st Century Fox schließlich schon den paneuropäischen Pay-TV-Betreiber Sky zu übernehmen, doch die kartellrechtliche Prüfung des Deals dauert weitaus länger als geplant. Und gerade als man sich erhoffte, diese Hängepartie in diesem Jahr zu beenden, kommt die nächste Übernahme.

Sky ist noch nicht einmal an Fox verkauft, da verkauft Fox schon wieder weiter an Disney. Wann dieser Deal wiederum abgesegnet und vollzogen sein wird? Niemand weiß es. Wohl kaum noch in diesem Jahr. Also heißt es weiterhin: Abwarten, Tee trinken und sich freuen, dass „Babylon Berlin“ und bald wohl „Das Boot“ die Narrative über Sky dominieren. Zwischendurch soll in diesem Sommer dann der neue Receiver Sky Q im deutschen Markt eingeführt werden. Das beschäftigt erst einmal. Strategisches darüber hinaus ist schwierig, wenn man nicht einmal weiß, wem man gehört und was derjenige vorhaben mag.

Wer folgt auf Thomas Ebeling?

Das gilt auch für die ProSiebenSat.1 Media SE. Der Abgang des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Thomas Ebeling ist nur noch wenige Wochen entfernt. Sein angekündigtes Sparprogramm für spürbare Synergien im Rahmen der Umstrukturierung ist bislang angedroht, aber immer noch nicht umgesetzt bzw. konkretisiert. Die Mitarbeiter in Unterföhring wissen nur seit Monaten das Damoklesschwert über sich. Wer wird auf Thomas Ebeling folgen? Ein Medienmanager oder erneut ein Branchenfremder?

Die Personalie wird damit zur Richtungsentscheidung für einen Konzern, der in den vergangenen Jahren zwischenzeitlich großen Erfolg damit feierte, sich vom Kerngeschäft zu entfernen. Wer gibt den neuen Kurs vor und wohin wird er führen? Geduldig warten gilt auch hier. Spannend bleibt auch die Frage, ob der Konzern dauerhaft ohne Großaktionär bleibt oder sich einer der zuletzt kauflustigen US-Konzerne angesichts des gefallenen Kurses eine Übernahme anschaut.

In diesem Jahr kann sich wirtschaftlich viel bewegen in der Medienbranche. An zusätzlichen Gerüchten zu den genannten Baustellen mangelt es ja auch nicht, etwa der hartnäckigen Spekulation einer Netflix-Übernahme durch Apple. Vorerst aber sorgen all diese ungeklärten Übernahmen und ausstehenden Richtungsentscheidungen für strategischen Stillstand an überraschend vielen Stellen - auf dem deutschen wie internationalen Markt. Ein so großes Warten hat die Medienbranche lange nicht erlebt.