Jantje Friese und Baran bo Odar © Netflix Baran bo Odar und Jantje Friese
Sechs Wochen nach der Veröffentlichung von "1899" hat Netflix offenbar sein Urteil über das deutsche Prestige-Projekt gefällt: "Schweren Herzens müssen wir Euch mitteilen, dass '1899' nicht verlängert wird. Wir hätten diese unglaubliche Reise gerne mit einer 2. und 3. Staffel beendet, wie wir es mit 'Dark' getan haben", erklärt das Schöpfer-Duo Baran bo Odar und Jantje Friese am Montagabend in einem auf Instagram veröffentlichten Statement.

Fans der erneut sehr ambitionierten und mit neuer Technik in Babelsberg umgesetzten Serie aus der Feder des Duos dürfte das Aus nach der ersten Staffel überraschen. In der Branche gibt es hingegen weniger Verwunderung: "1899" ist nicht die erste Netflix-Serie, bei der kurz nach Veröffentlichung zunächst Erfolgsmeldungen über Chartplatzierungen in diversen Ländern veröffentlicht wurden - und dann doch die Einstellung folgte. Eine Erfahrung, die auch Constantin Film 2021 mit seiner "Resident Evil"-Serie gemacht hat.

"1899" war in 55 Ländern zwei Tage nach dem Start die Nr.1 in den Netflix-Charts, freute sich Baran bo Odar am 19. November auf Instagram. Zahlreiche Medien griffen den vermeintlich großen Erfolg auf. Es folgten u.a. Nominierungen für die Critics Choice Awards, lobende Worte von Stephen King und zum Jahreswechsel zahlreiche Empfehlungen im Rahmen von diversen Hitlisten mit den besten Serien 2022, inklusive einer frohlockenden Besprechung in der "New York Times". Doch offenbar hatte sich Netflix mehr erhofft. 

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Die "1899"-Schöpfer Baran bo Odar und Jantje Friese erklären in ihrem Statement: "Manchmal entwickeln sich die Dinge nicht so, wie geplant. So ist das Leben. Wir wissen, dass dies Millionen von Fans da draußen enttäuschen wird. Aber wir möchten euch von ganzem Herzen dafür danken, dass ihr Teil dieses wunderbaren Abenteuers wart. Wir lieben euch. Vergesst das nie." Welche Auswirkungen das vorzeitige Aus für "1899" auf den 2018 geschlossenen Exklusiv-Deal zwischen Netflix und dem Duo hat, ist nicht bekannt.

Mit dem Erfolg der drei "Dark"-Staffeln im Rücken und einer neuen Produktionsweise im gigantischen LED-Set bzw. Volume in Babelsberg, für die das Duo mit Dark Bay sogar eine neue Tochterfirma für Virtual Productions gründete, waren die Erwartungen schon früh hochgeschraubt. Bei der Einweihung der neuen Dependance in Berlin schwärmte auch der angereiste Netflix-CEO Reed Hastings im September 2021 von der neuen Technik, die maßgeblich dazu beitrage, das Produzieren in der Region Berlin so attraktiv zu machen.

Mit der Veröffentlichung von "1899" MItte November gab es jedoch durchaus geteilte Meinungen. Ein Umstand, den Baran bo Odar und Jantje Friese schon von ihrem entweder geliebten oder gehassten "Dark" kennen, doch diesmal schieden sich die Geister nicht nur am komplexen Plot, sondern eben auch der Produktionsweise, deren Vorzüge eher in günstigeren Produktionsumständen liegt als in sichtbarem Mehrwert fürs Publikum. Unklar ist, wie groß die Begeisterung von Netflix für diese Produktionsart nach dem "1899"-Aus bleibt.

Unbestritten bleibt jedoch der Einsatz von Baran bo Odar und Jantje Friese für ambitionierte Serienprojekte made in Germany. Sie haben Türen aufgestoßen und werden das sicher auch in Zukunft tun - ob weiterhin für Netflix oder einen anderen Streamingdienst.