Herr Prof. Dr. Rota, raten Sie jungen Menschen, die einfach nur "Irgendwas mit Medien" machen wollen, überhaupt ein Studium zu beginnen?

"Irgendwas mit Medien“ ist eigentlich nichts mit Medien. Das klingt werblich und zu sehr nach Zeitvertreib, also nach "spielerischem, medialem Life". Aber es kann jungen Leuten schon geraten werden, ein medienbezogenes Studium zu wählen, wenn diese die Medien nicht nur als Spielwiese der Selbstverwirklichung sehen, sondern sich tatsächlich einen Beruf darunter vorstellen können, mit einer Karriereperspektive, mit den Höhen und Tiefen, die implizite sind, den Durststrecken, der Langeweile und vor allem den wunderbaren Erfolgen und der großen Genugtuung, die Medienberufe mit sich bringen.

Nicht jeder ist für solch eine Welt turbulente Welt geschaffen. Mit welchen Eigenschaften hat man in der Medienwelt die besten Chancen?

Es kommt natürlich auf den Medienbereich an, in der Mann/Frau landet, also ob im Journalismus, der Public Relations oder in der Werbung. Aber für alle Bereiche gemeinsam reichen allein Kommunikationsfähigkeit und Mitteilungsbedürfnis nicht aus. Um wirklich in einem der drei Medienbereiche als Angestellte zu reüssieren, sind Eigenschaften wie Neugier für das Gespür von aktuellen Themen, Interesse für die Entwicklung von korrekten Inhalten, Durchhaltekraft für die Durchsetzung einer Idee oder von Recherchen, Sprachkompetenz für die korrekte Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift sowie Vorstellungsvermögen zur Entwicklung von Konzepten und Ideen, notwendig. Junge Talente, die in die Medien streben, haben es heute schwerer, Karriere zu machen, denn das Angebot an guten Amateuren oder medial Ausgebildeten ist riesig, der rasche Einstieg als Freelancer unterliegt hohem Konkurrenzdruck.

Welche Erwartungen haben Studenten an die Medienbranche, die Sie als Prorektor mitbekommen?

Nicht als Prorektor, sondern als Professor sage ich: Vielleicht: Friede, Freude, Eierkuchen? Aber es warten tatsächlich: Fake-News, Propaganda und Hacks!

Sonst noch was?

Sie werden in einer der dynamischsten Branchen arbeiten, deren Entwicklung rasch vorgeht und noch lange Bestand haben wird. Medien sind aber nicht nur eine Spielwiese zur Selbstverwirklichung und Ideologieverbreitung, sondern Plattformen, die gesellschaftliche Verantwortung, Meinungsbildung und gute Unterhaltung transportieren sollen und dazu gehört auch ein gewisses Maß an qualitätsorientiertem Berufsethos, gleich ob ein Student eher unterhaltungs- oder eher informationsorientiert arbeiten möchte. Und wenn Mann/Frau echte Karriere machen möchte, sind die Medien noch immer eine der lukrativsten Branchen.

Wie sehr hat sich dieses Gewerbe in ihren Augen in den letzten Jahren verändert?

Die Medien haben sich weg von den Informationen hin zu unterhaltsamem Content entwickelt. Durch das Interaktive Web und die Social Media ist die Branche schnelllebiger, oberflächlicher, weniger verlässlich und subjektiver geworden. Die transmediale Vermischung und Aufbereitung von Content hat die jeweils für die Medienbereiche typische Qualität und Eindeutigkeit verwässert. Das beginnt beim Journalismus, der auf journalistischen Websites häufig inhaltlich einseitig-subjektiv und in der sprachlichen Darstellung fehlerhaft ist. In der PR-Branche wird unverhohlen werblich Position bezogen und die Werbung ist aufgrund der rechtlichen Restriktionen teilweise abgeflacht und eher langweilig-informativer geworden. Das heißt, die Genres haben sich vermischt, eine Trennung und Zuordnung fällt vielen Rezipienten schwer, vor allem den ganz alten und den jüngeren. Vor 20 Jahren war der "Biss" noch ein wichtiges Kriterium für den beruflichen Einstieg in die Medien, heute brauchen Sie Praktika, Zeugnisse, Weiterbildungsbescheinigungen.

Welche Vorteile und Nachteile hat es dann eigentlich, erst einmal auf eine Hochschule/Uni zu gehen, anstatt direkt in die Branche zu starten?

Aufgrund der Vermischung der Mediengenres und der crossmedialen Darstellung von Inhalten ist es wichtig, dass junge Menschen, die die Medien als Beruf und Berufung sehen, sich zunächst einmal mit den theoretischen Grundlagen der verschiedenen Branchen beschäftigen. So lernen Sie zwischen einem Bericht, einem Kommentar oder einer Reportage zu unterscheiden oder sie können eine klassische Werbeanzeige von einer Präsentationswerbung unterscheiden, einen Rundfunk-Spot von einer Rundfunkmeldung. Das heißt die traditionellen Lehrmeinungen zu kennen ist wichtig für junge Medienschaffende, damit diese auch in der Praxis umgesetzt werden - das dient der Qualität der Branchen. Bei einem Start direkt in die Branche hinein fehlt es bei den Ausbildern häufig an der Zeit, den Volontären und Praktikanten die qualitativen Merkmale zu vermitteln. Im Gegensatz zu Universitäten versuchen ja Hochschulen für angewandte Wissenschaften, also FHen, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen.

Inwieweit passen sich die Hochschule an die Veränderungen der Medienbranche an?

Die Hochschulen versuchen durch ihre Berufungspolitik bei Professuren die Lehre den laufenden Entwicklungen der Medienbranche anzupassen. Das heißt, dass vor allem an Hochschulen Professoren mit längerer Erfahrung in der beruflichen Praxis eingestellt werden. Außerdem versuchen medienbezogene Studiengänge die Lehrinhalte des Curriculums an die aktuellen Entwicklungen anzupassen, neue Trends mit deren Vor- und Nachteilen zu thematisieren und zu besprechen. Zudem können neue Studiengänge entwickelt und eingesetzt werden, alte dagegen können geschlossen oder neu positioniert werden. Derzeit richtet die Hochschule der Medien in Stuttgart einen ihrer Traditionsstudiengänge im Druckbereich ab dem Wintersemester 2017/18 neu aus als englischsprachigen, internationalen Studiengang Print Media Technologies.

Welche Studiengänge gehen überhaupt gut und welche eher nicht?

Medienstudiengänge, die eher ein kreativ erscheinendes Curriculum anbieten, sind nach wie vor gefragt, von der Games-Entwicklung bis hin zur Werbung. Auch die Bereiche der Medieninformatik, der Medienwirtschaft und der PR haben gute Bewerberzahlen. Die traditionellen Studiengänge hingegen stagnieren.

Sind Sie der Meinung, dass junge Menschen überhaupt noch "Irgendwas mit Medien" studieren wollen? Ist das inzwischen vielleicht etwas differenzierter?

Wir stellen bei unseren Bewerbungszahlen an der Hochschule der Medien kaum ein nachlassendes Interesse fest, insofern gibt es medienaffine Studierende zuhauf. Interessant ist, dass jemand, der ein medienbezogenes Studium ergreifen möchte, sich nicht nur auf den einen Medienstudiengang bewirbt, sondern sich auch auf thematisch verwandte andere Studiengänge bewirbt. Der Großteil der Bewerber setzt sich also mit der Thematik auseinander.

Das klingt positiv. Wie sehen Sie jedoch die generelle Einstellung ihrer Studenten? Sind sie selbstbewusster geworden? Stichwort "Generation Y".

Der Generation Y sagt man nach, dass Sie alles in Frage stelle, hohe Ansprüche habe und die erste Generation der Digital Natives sei; daraus aber resultiere auch ihr tiefer Fall in die Niederungen der materiellen Realität. Ich denke, dass diese Generation sehr gut weiß, wie alle erdenklichen Informationen besorgt werden können, jedoch nicht deshalb auch automatisch die Qualität der Informationen zu beurteilen vermag. Vor allem ist aber das Aufwachsen mit der digitalen Welt nicht à priori ein Ausweis für die Fähigkeit diese Informationen zu verknüpfen, zu hinterfragen und in einen Zusammenhang zu stellen. Die mögliche Steigerung des Selbstvertrauens durch den selbstverständlichen Umgang mit Digitalen Medien, dem Web und den Social Media ist nicht unbedingt ein Vorteil, sondern kann auch zu Zerstreutheit und Unentschlossenheit führen.

Herr Prof. Dr. Rota, vielen Dank für das interessante Gespräch!