Natürlich steht die dritte Staffel von "Fargo" auf der Liste der Serien, auf die ich mich in diesem Jahr am meisten freue. Schließlich war ich von Staffel 1 und 2 so begeistert, dass ich gar nicht anders kann, als der Fortsetzung entgegenzufiebern. Das Problem ist allerdings: Meine Begeisterung für die vorigen Staffeln führt dazu, dass ich sehr viel erwarte. Mehr als bei Serien, die zwar auch auf meiner Liste stehen, aber keine Fortsetzung, sondern neu sind. Was das bedeutet: dass ich im Grunde nur enttäuscht werden kann.

Denn die Voraussetzungen sind schwierig: Staffel 1 hat mich umgehauen, weil Drehbuchautor und Showrunner Noah Hawley es tatsächlich geschafft hat, die Tonalität des Coen-Brüder-Films "Fargo" in eine moderne Serie zu übersetzen. Staffel 2 hat mich umgehauen, weil Noah Hawley die gleiche Figurenaufstellung mit einer neuen überraschenden Geschichte verwoben hat, gespielt von einem Ensemble, das die hochkarätige Besetzung der ersten Staffel sogar übertroffen hat.

Mit Staffel 2 hat Noah Hawley auch klar gemacht, auf welche Zutaten er bei seinen abgeschlossenen Geschichten setzt:
- den unbescholtenen Bürger, der bisher wenig Glück hatte im Leben, aber auch einmal zu den Gewinnern gehören möchte und deswegen eine scheinbar harmlose Betrügerei begeht;
- die unglückliche Verkettung von Ereignissen, die in eine Katastrophe führt;
- die besondere Mentalität der Bewohner von Minnesota;
- blutige Todesfälle in der Schneelandschaft;
- die aufrechte, aber verschlossene Polizistin (oder einen entsprechenden Polizisten);
- das organisierte Verbrechen, das sich bis in die Provinz verzweigt,
- und das dazugehörige brutale Handlanger-Duo.
Und den beiden Folgen nach zu urteilen, die bisher verfügbar sind, besteht Staffel 3 aus genau diesen Zutaten. 

Was also soll in Staffel 3 kommen? Eine andere Wendung der Geschichte? Nein, dann wäre es nicht mehr "Fargo". Eine andere Art des Erzählens? Nein, auch dann wäre es nicht mehr "Fargo". Eine bessere Besetzung? Staffel 2 beim Cast zu übertrumpfen, ist eigentlich unmöglich. Oder ist die Frage falsch? Warum erwarte ich eigentlich, dass Staffel 3 noch besser wird als die beiden vorherigen? Warum erfreue ich mich nicht einfach an dem hochklassigen Fernsehen, das mir da geboten wird, egal ob es nun dem sehr ähnlich ist, was ich bereits voriges und vorvoriges Jahr genießen durfte?

Bei Serien, die nicht an die erzählerische Qualität und/oder die schauspielerische Leistung von "Fargo" herankommen, erwarte ich ja auch nicht, dass die nächste Staffel die vorige übertrifft. Bei "The Good Wife", zum Beispiel. Oder "Veep". Oder "Grey's Anatomy" - damals, als ich es noch geguckt habe. Mir würden jetzt noch mehr Beispiele einfallen, aber allein das kurze Nachdenken über diese drei macht mir klar, was die Knackpunkte sein könnten:
Erstens: Da "Fargo" in jeder Staffel eine neue, abgeschlossene Geschichte mit neuen Figuren in einer neuen Zeit erzählt, muss ich mich jedes Mal auf neue Figuren einlassen, ich kann keine staffelübergreifende Entwicklung von Charakteren beobachten, die mich faszinieren oder die ich liebgewonnen habe. Das Einzige, das mich also wieder zur neuen Staffel lockt, ist die Erwartung, erneut auf hohem Niveau unterhalten zu werden - der Vertrauensvorschuss, den ich dem Team rund um Noah Hawley gewähre, ist der Grund, warum ich mich bereitwillig auf neue Figuren einlasse.
Zweitens: Mir ist aufgefallen, dass ich umso mehr von einer Serie erwarte, je hochwertiger sie ist. Also: Bei einer Serie wie "Grey's Anatomy" war ich mit weniger zufrieden als ich es bei "Silicon Valley" bin, zum Beispiel. Oder bei "Lucifer" im Vergleich zu "Sherlock". Mein Anspruch wächst mit der Qualität. Hm. Mit anderen Worten: Ich bin selbst daran schuld, dass ich mir hochklassiges Guckvergnügen trübe.

Und jetzt? Ich habe keine Ahnung. Natürlich schaue ich "Fargo" weiter. Die ersten beiden Folgen der dritten Staffel fand ich gut. Aber von den ersten beiden Folgen von Staffel 2 war ich viel begeisterter. Und ich kriege es nicht aus meinem Kopf, dass ich mich gut unterhalten fühle und gleichzeitig ein bisschen enttäuscht bin. Ich hoffe, ich schaffe es nächste Woche bei Folge 3, die zweite Staffel aus meinem Kopf zu verbannen und mich auf das zu konzentrieren, was die Schauspieler - allen voran Ewan McGregor, Carrie Coon und Mary Elizabeth Winstead - da Großartiges leisten.

Ein kleiner Nachtrag zu meinem Text von vergangener Woche: Ich war überrascht, wieviele "Please Like Me"-Begeisterte unter meinen Leserinnen und Lesern sind. Das freut mich sehr! Und ich hoffe, dass wir mit unserer Begeisterung viele andere anstecken. Zwei Linktipps habe ich noch für Euch:
Josh Thomas hat Ende 2016 ein "Ask me anything" bei Reddit gemacht, sich also den Fragen seiner Fans gestellt - der Thread ist informativ, wunderbar und unterhaltsam gleichzeitig. Danke sehr an Twitteruser @julthilo, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. Aber Achtung, es besteht die Gefahr, dass man sich darin vertieft und nicht merkt, wie die Zeit vergeht.
Bei "Buzzfeed" gibt's die 18 schönsten Momente aus der dritten Staffel zum Hach!-Sagen. (Wieso eigentlich nur 18? Mir würden da mindestens 36 einfallen!)  

Und zum Schluss noch ein paar Gucktipps: 

Auch eines meiner Serien-Highlights in diesem Jahr: "American Gods" startet am 1. Mai bei Amazon Video (Prime). Neue Folgen gibt's dann immer wöchentlich. Ich bin sehr gespannt, die Buchvorlage von Neil Gaiman fand ich großartig, und die ersten Bilder der Serien-Adaption sehen vielversprechend aus.

Fast zwei Jahre ist die erste Staffel her, jetzt kommt endlich Nachschub von den Wachowski-Schwestern: Die zweite Staffel von "Sense8" ist ab 5. Mai bei Netflix verfügbar. 

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

"Fargo", Staffel 3: Netflix veröffentlicht wöchentlich donnerstags eine neue Folge der FX-Serie, die in den USA mittwochs zu sehen ist. 

Wer mir auf Twitter folgen möchte, kann das hier tun: @FrauClodette.