Foto: Deutscher Fernsehpreis Frau Wick, ich würde gerne mit einer offenen Frage starten. Beantworten Sie mir doch bitte den Satz. Das Fernsehjahr 2007 ist.....

...auf jeden Fall ein gutes Fernsehjahr. Es ist besonders auffällig, dass sich die Sender inzwischen in verschiedenen Genres profilieren; dabei wird auch etwas gewagt und an Innovativionen gearbeitet. So war das Thema "Zukunftvisionen" in diesem Jahr zum Beispiel im Bereich Fernsehspiel sehr stark und es gab auch interessante neue Serien und Sitcoms. Früher hieß es mal, die Deutschen verstünden nichts vom Genre-Fernsehen und jetzt findet genau das auf hohem Niveau statt. Das macht es für uns aber natürlich nicht leichter, weil sehr unterschiedliche Werke in einer Kategorie gegeneinander antreten. Die Nominierten für den Fernsehfilm des Jahres sind von ihrem Genre her völlig unterschiedlich: Von Arthouse bis zur Romantic Comedy.

Wenn Sie auf die nominierten Sitcoms ansprechen, dann liefen z.b. die beiden RTL-Serien eher mäßig. Darf die Quote einer Sendung Einfluss auf einen Jurypreis haben?


Fernsehen bewegt sich immer zwischen zwei Polen. Geht man Wagnisse für die Zukunft ein oder bedient den gerade vorherrschenden Geschmack des Publikums? Die Zuschauer sind tendenziell konservativ. Sie möchten am liebsten das Schöne und Vertraute noch einmal aufbereitet haben. Würde sich das Fernsehen allein daran orientieren, könnte es sich nicht weiterentwickeln. Nehmen sie das innovative Fernsehspiel "2030" beim ZDF. Die Berichterstattung im Vorfeld hat höhere Erwartungen an die Quote geschürt als am Ende dann eingelöst wurde, aber es zeigt doch beispielhaft, wie Fernsehen eine gesellschaftliche Debatte aufgreifen und gleichzeitig unterhaltend sein kann. Wagnisse gilt es zu würdigen wie den Publikumserfolg.

Neu eingeführt wurden in diesem Jahr jeweils eine freie Format- und Personenkategorie. Warum?


Es gibt beim Deutschen Fernsehpreis ein sehr klares Reglement und feste Kategorien. Aber schon in den vergangenen Jahren hatten wir die Freiheit, aus diesem Raster ausbrechen, wo es nötig war. Diese Flexibilität ist wichtig, wenn man die aktuellen Trends abbilden will. Andererseits lohnt es oft nicht, gleich eine feste Kategorie einzuführen: Die beste Telenovela würde sich in diesem Jahr deutlich schwerer küren lassen als noch vor ein oder zwei Jahren. Auch den Kochshows muss man nicht gleich eine feste Kategorie geben, deshalb messen sich in diesem Jahr die Besten in der freien Formatkategorie.
 


In den beiden neuen Kategorien geht es diesmal um die beste Kochshow und den besten TV-Coach. Passt letzteres qualitativ zu den Ehrungen für z.B. herausragende schauspielerische Leistungen oder den besten Fernsehfilm? Es fällt etwas ab oder nicht?

Das sehe ich anders. Vor zehn Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass RTL Quote mit Schuldenberatung und der Erziehungskrise machen würde. Nun hat der Sender einen Weg gefunden, sich mit der Lebenswirklichkeit in Deutschland intensiv auseinander zu setzen und mit satrken Anchorfiguren und hilfreichen Ratgeber-Sendungen in ein Genre vorzudringen, das bislang fast allein von den Öffentlich-Rechtlichen besetzt wurde. Dass RTL jetzt in der diesjährigen freien Personenkategorie gleich dreimal nominiert ist und gegen sich selbst antritt, liegt einfach daran, dass RTL in diesem Genre die besten Formate anbietet. Angeschaut haben wir uns auch zahlreiche andere Sendungen. RTL hat die richtigen Konzepte entwickelt bzw. eingekauft und für deutsche Verhältnisse sehr passend umgesetzt. Und es ist doch eine wirklich interessante Entwicklung, dass jemand wie Herr Zwegat ("Raus aus den Schulden", Anm. d. Red.), also ein kauziger Berliner Schuldenberater, mit dem Thema „Privatinsolvenz“ nun in der Primetime Quotenrekorde feiert.

Nominiert ist in dieser Kategorie auch die "Supernanny", eine Adaption eines britischen Formats. Sind ausländische Formate nicht laut den Statuten des Fernsehpreises von einer Nominierung und Auszeichnung ausgenommen?

Das haben Sie zu eng ausgelegt. Wenn Sie Sendungen mit internationalem Ursprung nicht berücksichtigen würden, dann hätten Sie schon vor Jahrzehnten "Was bin ich?" mit Robert Lemke nicht auszeichnen dürfen. Der BR hat seine Sendung damals von der BBC eingekauft.

Vor diesem Hintergrund sind also auch Adaptionen von Konzepten aus Großbritannien, Amerika und Co. des Deutschen Fernsehpreises würdig?

Es gab auch schon vor vier Jahren einen Fernsehpreis für "Deutschland sucht den Superstar". Auch das ist die Adaption. Für ein eingekauftes "CSI" gibt es natürlich keinen Fernsehpreis. Aber bei einer Adaption gibt es vom Cast über die Moderation bis zur Regie viele Elemente, die aus einem eingekauften Recht erst gutes Fernsehen machen und das lässt sich genauso bewerten und auszeichnen wie die Produzentenleistung in einem Fernsehspiel.

Bei den Nominierten fallen Formate auf, die beim Publikum eher weniger Anklang fanden. "Dr. Psycho" (ProSieben), die beiden RTL-Comedys oder die Sat.1-Krimiserie R.I.S.: Kann der deutsche Fernsehpreis in solchen Fällen eine Versicherung für quotenschwache Formate sein?

Ich sitze ja bei der Entscheidungsfindung der Fernsehsender nicht am Tisch. Aber soviel ist klar: Der Deutsche Fernsehpreis genießt in der Branche ein hohes Ansehen. Preisgekrönte Formate hat jeder gerne im Programm. Vielleicht hilft es zumindest manchem in der Argumentation. Aber wir vergeben keine Preise, nur damit jemand morgen noch ein Engagement hat.

Unter den nominierten Leistungen findet sich auch eine Nebenrolle im Sat.1-Mehrteiler "Blackout", der katastrophale Quoten holte für Sat.1. Wie erklären Sie sich das?

Wir haben in der Jury viel und kontrovers über "Blackout" diskutiert. Weniger wegen der Quote als über das Stück selbst. Wir haben bei "Blackout" durchaus handwerkliche Fehler ausgemacht, die Sat.1 erst nachher analysiert haben will. Aber wir haben auch das hervorragende Spiel von Roeland Wiesnekker gesehen und ihn dafür nominiert. Das Kategoriensystem erlaubt es, solche Unterscheidungen zu machen. Wir sollen unbefangen einen fertigen Film zu bewerten. Für den Sender war es schwieriger, es gilt vor der Produktion den Geschmack des Publikums beim voraussichtlichen Ausstrahlungstermin zu kennen, bei der Programmierung zu berücksichtigen was die Konkurrenz zeigt und dann zu hoffen, dass kein Grill-Wetter herrscht. Mancher Quoten-Flop hat aber auch gesunde Auswirkungen und idealerweise einen Erkenntnisgewinn. Deswegen war "Blackout" ganz sicher nicht umsonst.