Sie bilden als Frau eine Ausnahme in der Fußballreporter-Szene. Warum hat sich in all den Jahren auf diesem Gebiet so wenig getan? Beim Hessischen Rundfunk gibt es noch Martina Knief, die regelmäßig kommentiert, aber dann hört es ja schon auf.

Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe. Grund eins: Es gibt immer noch zu viele Machos in den entscheidenden Führungspostionen der einzelnen Medienanstalten. Die Männer wollen in ihrer Fußballwelt nach wie vor am liebsten unter sich bleiben und machen es den Frauen entsprechend schwer, Fuß zu fassen. Aber, und das ist der zweite Grund, es drängen auch zu wenige Frauen nach. Es ist natürlich ein Job, bei dem Sie nicht zu sensibel sein dürfen, bei dem Sie unglaublich viel Fachkenntnis mitbringen müssen und bei dem Sie, gerade wenn Sie Fußball im Radio machen, keine zwei Sekunden schweigen oder erst auf die Analyse eines Experten oder gar auf eine Zeitlupe warten dürfen. Ansonsten glaubt jeder Hörer, sein Radio sei kaputt. Sie müssen deshalb auch den Mut besitzen, sich schnell festzulegen. Vielleicht auch mal einen Schiedsrichter zu kritisieren oder gegen den Strom zu schwimmen und riskieren, mit zwei Augen mal etwas falsch gesehen zu haben. Sie sitzen ja nicht mehr direkt an der Grasnarbe, wie das früher der Fall war.  

Aber hat das wirklich etwas mit dem Geschlecht zu tun?

Es ist in der Tat eine ganz spezielle Situation und als Frau wird man komischerweise immer noch doppelt beäugt. Ich glaube auch, dass sehr viele Frauen nach wie vor sehr viel Respekt davor haben und sich deshalb gar nicht aufdrängen. Ich persönlich bin jetzt auch schon seit zwölf Jahren Hörfunk-Sportchefin beim WDR und würde keine Frau wegschicken, die sich bei mir bewirbt oder mir eine Demo-Kassette schickt und mir glaubhaft versichert: „Hören Sie sich das doch mal an, mein Leben ist die Fußballreportage!“ Wenn sie etwas drauf hätte, würde ich sie fördern – aber es hat sie bis jetzt noch nicht gegeben!

Sie haben sich gegen die Machos durchgesetzt. Was war denn Ihre Strategie?

Das war ein langer, zäher Kampf. Heutzutage klingt das im Rückblick immer so leicht, aber es war eine knallharte Zeit. Am Anfang waren viele der Meinung, dass die zurück zum Kochtopf, Kinder in die Welt setzen und zu Hause nähen soll. Ich musste gegen sehr viele Vorurteile kämpfen und konnte mir nur peu à peu ein wenig Anerkennung verschaffen. Das Gute ist aber, dass ich immer Vorgesetzte hatten, die an mich glaubten und meinten, dass ich es drauf habe und es bei mir keine Modeerscheinung ist. Sie haben mir immer wieder eine Chance gegeben, sodass ich es als Pionierin schaffen konnte, einige Vorurteile abzubauen. Aber um das nochmals zu betonen: Das war echt ein harter Prozess. Ich habe 1989 mein erstes Bundesliga-Spiel gemacht. Jetzt sind es mittlerweile über 500, aber es ist eine lange Zeit...

Wenn das erste Spiel angepfiffen ist, bin ich mit dem Herzen Fußball-Fan.
Sabine Töpperwien

Nun steht also die Fußball-Europameisterschaft an. Welche Erwartungen haben Sie?

Es ist so eine gemischte Vorfreude. Auf der einen Seite freue ich mich über jedes Fußball-Großereignis. Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft aufläuft und die Hymne gespielt wird, kriege ich nach wie vor Gänsehaut und es ist fantastisch, darüber berichten zu dürfen. Auf der anderen Seite schmälert es ein kleines bisschen die Vorfreude, dass zwei so unterschiedliche Gastgeber-Länder wie die Ukraine und Polen ausgewählt worden sind. Gerade was die Infrastruktur angeht, wird es kompliziert. Hinzu kommen verschiedene Zeitzonen, verschiedene Währungen, verschiedene Handynetze, sehr große Entfernungen. Von daher ist es gerade als Teamchefin, wo man für alle die bestmöglichen Arbeitsbedingungen schaffen möchte, ein zweischneidiges Schwert. Aber wenn das erste Spiel angepfiffen ist, bin ich mit dem Herzen Fußball-Fan. Das wird alles andere übertünchen.

Denken Sie im Vorfeld auch an ein Worst-Case-Szenario, das passieren könnte, oder wird das verdrängt?

Wenn man als Live-Reporter „nur“ für sich selbst verantwortlich ist, dann verdrängt man das. Aber in meiner Position als Teamchefin muss ich für die ganze Mannschaft stehen und alles durchspielen. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, was passiert, wenn es Stromausfälle oder andere technische Pannen gibt. Wie können wir dann trotzdem über Notstromaggregate und Sonderwege senden? Wir müssen auch darüber nachdenken, was passiert, wenn die deutsche Mannschaft nach der Vorrunde ausscheiden sollte – wir hoffen es zwar nicht, aber im Sport ist bekanntlich alles möglich.

Was wäre dann?

Wir haben einen Plan B und würden in diesem Fall das Team reduzieren und das Programmangebot ein wenig straffen. All diese Dinge sind momentan noch nicht sichtbar in der Schublade, aber es gibt sie.

Die Gruppe der Deutschen ist ziemlich hart, also ganz unwahrscheinlich ist ein Ausscheiden bei aller Stärke nicht.

Vom Sportlichen gesehen ist die kommende EM sehr faszinierend, weil ja zum letzten Mal in Europa – aus meiner Sicht: leider – das kleine Tableau mit sechzehn Mannschaften gespielt wird, sodass es eben von Anfang an zur Sache geht. Wir haben insgesamt ja nur 31 Spiele, deshalb gibt es keine große Aufwärmphase. Bei der Weltmeisterschaft wird alles schon jetzt aufgebläht. Da hat man am Anfang mitunter sehr exotische Gegner und man tituliert den einen oder anderen gerne mal als Warm-Up-Gegner. Die EM bietet dagegen von Anfang an Qualität pur und das macht es vom sportlichen Wert her besonders reizvoll.