Frau Hurd, Sie kommen vom großen Action-Kino: Was macht Fernsehen für Sie so attraktiv?

Das ist eine gute Frage, die ich nur für mich aus meiner Erfahrung heraus beantworten kann. Bei den großen Kino-Blockbustern, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, drängen Dich die Studios meist weg von den Charakteren hin zu mehr Special Effects, mehr Action. Man scheint zu glauben, dass bei genügend Action Handlung und Charaktere zu vernachlässigen sind. Und das hat Kino für mich zuletzt weniger attraktiv gemacht. Das hat mir nicht mehr gereicht. Ich wollte als Produzentin wieder ein Script in der Hand halten, das mich überzeugt. Special Effects und Action wirken auf dem Papier nicht, gute Charaktere schon. Aber es ist nicht nur das.

Was noch?

Es werden einfach weniger Filme gedreht als früher noch. Niemand will mehr einfach nur einen guten Film drehen. Es müssen Superlative her, es muss ein Rekord fallen. Bei dieser Jagd nach dem nächsten großen Hit bleiben viele Filmideen unverwirklicht.

Was ist in der Arbeit als Produzentin der größte Unterschied zwischen Kino und Fernsehen?

Ich weiß nicht ob es der größte Unterschied ist, aber bemerkenswert ist doch, dass wir eine ganze Staffel „The Walking Dead“ in der gleichen Zeit drehen, die auch die Produktion eines zweistündigen Kinofilms braucht. Und dieses Mal sind es sogar gleich 16 Folgen. Und das tolle Feedback auf „The Walking Dead“ zeigt mir, dass wir einen guten Job gemacht haben. Also fragt man sich manchmal: Was machen die da bloß nur an den Filmsets?

Erinnern Sie sich noch an den Moment an dem Sie gemerkt haben, dass Fernsehen mindestens so spannend sein kann wie Kino?

Ich habe ja vor „The Walking Dead“ schon eine andere TV-Serie gemacht: „Adventure, Inc.“ mit Michael Biehn, mit dem ich schon bei „Terminator“ und „Aliens“ zusammengearbeitet hatte. Es war eine internationale Koproduktion übrigens, mit u.a. M6 aus Frankreich und der Tele München Gruppe. Also ich habe schon mal Fernsehen gemacht, aber das ist fast zehn Jahre her. Und mit so vielen Partnern an Bord war die Serie weniger getrieben von Charakteren als der Idee eine internationale Abenteuer-Serie zu produzieren, die die Action des Kino in eine Serie packt. Nach dieser Erfahrung habe ich darauf gewartet, einen Stoff zu bekommen in dem man eine fortlaufende Story mit sich entwickelnden Charakteren erzählen kann - im Gegensatz zu abgeschlossenen Episoden. Eben das tun, was Kino nicht in der Breite kann. Und als mir das „Walking Dead“-Comicbuch in die Hände fiel, fühlte es sich sofort richtig an.

„The Walking Dead“ ist international sehr erfolgreich - und wird sehr zeitnah weltweit gestartet. Muss man die internationale Perspektive heutzutage eigentlich schon bei der Produktion einer Serie im Kopf haben?

Um ehrlich zu sein: Alle meine Filme waren international recht stark, manche liefen international sogar stärker als in den USA. Ich bin also meine ganze Karriere über schon jemand gewesen, dem diese Welt da draußen außerhalb der USA sehr bewusst ist. Aber ich glaube, dass gutes Storytelling einfach gutes Storytelling ist. Punkt. Ich finde es in dem Zusammenhang übrigens bemerkenswert, dass sogar in den USA inzwischen Serien aus dem Ausland laufen oder adaptiert werden. Das spricht doch sehr dafür, dass es gute Stoffe sind, die sich letztlich durchsetzen. Und das surreale Setting von „The Walking Dead“ wirkt international genauso surreal. Der Kern der Geschichte ist nicht allzu eng mit den USA verknüpft, dass es international nicht funktionieren könnte.