Ist das ein Problem der Mentalität?

Schwierig. In jedem Fall gibt es in allen Sendern leider zu viele Menschen, die nicht wissen, wo sie eigentlich hinwollen und sich lieber auf der sicheren Seite bewegen Das kann aber zum Stillstand führen. Dabei fällt mir ein: Kollege Josef Göhlen hat auf eine Frage, warum er denn so umtriebig ist, früher immer gesagt: „Weil bewegliche Ziele schwerer zu treffen sind“. Diese Bewegung würde ich manchem wünschen. Darf ich ein Beispiel nennen?



Gerne.

Ich habe vor ungefähr 15 Jahren die Reihe „Kommissar Beck“ co-produzieren dürfen. Das waren die ersten acht Filme, die in der Art der Umsetzung ziemlich wild für die damalige Zeit waren, bezogen auf Bildsprache, Erzählweise und radikalerer Gewalt. Das hat angeeckt. Das war möglich, weil der damalige Degeto-Chef ein mutiger Mann war. Einer auf der Suche nach Neuem. Es folgten Wallander, Nesbo, Larsson. Da haben ZDF-Enterprises und ARD den richtigen Riecher mit dem Einkauf bzw. der Koproduktion der Schweden-Krimis. Das war innovativ und sehr erfolgreich in den folgenden Jahren. Aber ich finde, dass wir auch da wieder an der Zeit wären, eine Brechung vorzunehmen und Neues zu probieren. So wie es das ZDF jetzt mit der Serie „Verbrechen“ von Schirach gewagt hat. Das nenne ich innovativ, damit beschreitet man einen Weg, den es bislang im deutschen Fernsehen auf diesem Sendeplatz am Sonntagabend bislang noch nicht gab. Wenn man im Fernsehen nichts Neues wagt, langweilen wir uns irgendwann alle.

Und Sie haben vermutlich genau das passende im Angebot oder?

Wir versuchen uns gerade an einer russischen Kriminalreihe mit dem Titel „Lena“. Da sind wir bei der FFP New Media, wo wir uns dem Motto „Neue Wege gehen“ verschrieben haben, der Meinung, dass das mal wieder etwas Neues ist. Und das ist heutzutage wirklich schwieriger als früher. Der Erfolgsdruck bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten ist in den letzten Jahren ja auch enorm gestiegen, aus Angst vor Fehlern, beziehungsweise weil man die Verantwortung für etwas Neues übernehmen muss, von dem man nicht weiß, ob es der Zuschauer goutiert.

Können Sie etwas mehr zu „Lena“ sagen? Eine Krimiserie, die in Russland spielt, gab es ja noch nicht...

Die Hauptfigur Lena ist keine ermittelnde Polizisten, sondern eine investigative Journalistin, die zusammen mit einem Kollegen der russischen Bundespolizei recherchiert. Das ist per se schon mal ein anderer Ansatz für eine Kriminalreihe und wenn sie in Russland spielt erst recht. Natürlich hat sie mit Korruption zu kämpfen und die, die nach unserem Verständnis die Guten und Rechtsschaffenden beziehungsweise Rechtshüter sind, sind es in Russland bekanntlich nicht immer. Die Reihe basiert auf einer Buchserie, von denen in Russland über 50 Millionen Stück verkauft wurden, und auch in Deutschland inzwischen an die Million. Wir setzen uns da mit dem heutigen Russland und dem vergangenen Russland auseinander. Das ist ein neuer Spielplatz und eine neue Farbe im deutschen Fernsehen. Wenn Sie mich fragen, ob das Erfolg haben wird? Ich weiß es nicht.

Punkt für Ehrlichkeit.

Ich finde es sehr gut. Und das sollte vielleicht als Kriterium wieder stärker zählen. Überzeugung, meine ich. Wir müssen doch ausprobieren. Wir sind gerade auf der Suche nach internationalen Partnern und dabei ganz zuversichtlich. Viele starke Marken entstehen doch nur durch Versuche. Kaum eine später erfolgreiche Marke war zielgenau so geplant, wie sie sich dann entwickelt hat. Pilcher war auch ein Versuch. Wir hatten nur einen Film gedreht, woraus sich dann eine Marke entwickelte.

Erleben wir gerade eine Renaissance der internationalen Koproduktion? Da tut sich ja insgesamt gerade Einiges?

Ob sich genug tut, weiß ich nicht. Aber ich habe ein ganz großes Herz für internationale Koproduktionen. Das entspricht meinem Lebensgefühl. Wir arbeiten auch an einer Action-Serie in Südost-Asien, da werden gerade die Drehbücher entwickelt. Es ist nur schwer, das Thema internationale Koproduktion anzugehen, wenn man keinen deutschen Sender an Bord hat. Da erhoffe ich mir ganz viel von der Degeto aber auch vom ZDF.

Stichwort Rosamunde Pilcher: Kommen eigentlich alle Pilcher-Filme von Ihnen?

Abgesehen von Herrn Kloiber, der mit der Tele München Gruppe die Rechte für einige englischsprachige internationale Produktionen besitzt und einen pro Jahr dreht, kommen alle anderen Pilcher-Verfilmungen, fünf bis sechs im Jahr, von uns. Die UFA hat Ende der 90er Jahre ebenfalls Pilcher produziert, weil ich einen Kurzgeschichten-Band von Frau Pilcher übersehen hatte, an dem sich dann die UFA die Rechte gesichert hat. Aber das war einmal.

Und Sie haben es mit Fassung ertragen, dass Frau Pilcher keine Geschichten mehr schreibt?

Es gab im vergangenen Jahr diese bekloppte Meldung, die die Runde machte. Frau Pilcher hat sich schon vor vielen Jahren vom Schreiben verabschiedet. Sie hat wahnsinnig viele Kurzgeschichten geschrieben. Dann hat sie fünfzehn oder sechszehn richtige Romane geschrieben, und etliche dieser Kurzgeschichten sind noch einmal als Sammelbände veröffentlicht worden. Davon gibt es, glaube ich, drei. Unsere Pilcher-Filme werden, basierend auf ihren Kurzgeschichten, von deutschen Autoren geschrieben. In den ersten Jahren hat sich Rosamunde Pilcher noch sehr engagiert. Über die Jahre ist das Verhältnis zwischen uns so gut geworden, so vertrauensvoll auch in der persönlichen Zusammenarbeit, dass sie uns grünes Licht gegeben hat, damit nicht mehr jedes Buch persönlich von ihr abgesegnet werden muss. Das war schon vor ein paar Jahren, da war sie aber auch schon über 80 Jahre alt.