Herr Olsson, Mediakraft bezeichnet sich selbst als "größten Online-TV-Sender". Sind Sie jetzt so richtig in der TV-Welt angekommen, wo Schleichwerbevorwürfe und Prüfverfahren nichts Ungewöhnliches sind?

Ich glaube nicht, dass das zwingend zusammengehört. Jedenfalls haben wir keine unerlaubte Schleichwerbung gemacht und es gibt auch kein Prüfverfahren. Das ist von "Report Mainz" nicht richtig dargestellt worden. Es gab innerhalb der öffentlichen Verwaltung lediglich eine Vorprüfung zu der Frage, ob die mittelfränkische Bezirksregierung zuständig wäre, falls es zu einem Prüfverfahren kommen sollte. Wir sehen uns tatsächlich als eine neue Art von Fernsehen, was unsere eigene Haltung und das Verhalten unserer Nutzer angeht. Ob wir damit künftig auch rechtlich wie Fernsehen zu behandeln sind, ist nicht unsere Entscheidung, sondern die des Gesetzgebers.

Welchen Regelungen fühlen Sie sich denn bislang verpflichtet?

Weil wir den gesetzlichen Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten kennen und achten, legen wir bei Product Placements großen Wert auf eine deutliche Kennzeichnung. Wir haben in unserer Sendetätigkeit eine zusätzliche Komponente, die es bei klassischen TV-Sendern so nicht gibt – den unmittelbaren Bezug zu unseren Zuschauern. Die lassen sich kein X für ein U vormachen. Die sind wahnsinnig kritisch und schreiben direkt unter unsere Videos, was sie denken und was sie wollen. Insofern stehen wir unter einer viel genaueren und direkteren Prüfung als jedes andere Medium. Diese enge Beziehung zum Nutzer nehmen wir sehr ernst. Sie macht Online-Video zu einem so enorm wertvollen Medium. Die Transparenz erhöht sich quasi von selbst und das Produkt wird durch stetige Kritik immer besser.



Das kann aber nicht den gesetzlichen Rahmen ersetzen.

Nein, auf keinen Fall. Im Gegenteil: Je stärker die Einbindung der Zuschauer in das Programm, desto wichtiger ist eine klare Richtlinie, denn man hat dadurch auch eine höhere Verantwortung. Mit der Entwicklung neuer Medien entstehen neue Herausforderungen. Wir haben hier technische und inhaltliche Strukturen, die mit den hergebrachten Richtlinien für Print- oder Rundfunkmedien nicht zu fassen sind. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, dem Gesetzgeber vorzugreifen. Dennoch stehen wir mit den Landesmedienanstalten in Bayern und Nordrhein-Westfalen schon länger in Kontakt, um gemeinsam Wege zu finden, wie man Werbung in Online-Videos vernünftig kennzeichnen kann. Da es bisher für unseren Bereich keine klare Regelung gibt, tun wir das, was wir können, ohne Standards festzulegen, zum Beispiel Kennzeichnungen durch Infoboxen, Einblendungen oder verbale Ankündigungen von Product Placements. Das ist unsere Interpretation zur Umsetzung der Kennzeichnungspflicht aus dem Telemediengesetz, das ja ursprünglich für ganz andere Angebote entstanden ist.

Wenn Telemediengesetz und Rundfunkstaatsvertrag nicht greifen: Braucht es jetzt so etwas wie einen Multi-Channel-Network-Staatsvertrag?

Um Gottes Willen, das hoffe ich nicht! Eigentlich ist die Sache doch klar: Wir haben einen Bedarf an Kennzeichnung für alle Mediengattungen. Mit den jeweiligen technischen Möglichkeiten verändert sich die Art und Weise, wie man kennzeichnen kann. Aber der grundsätzliche Sinn und Zweck eines klaren Trennungsgebots bleibt bestehen. Sinnvoll wäre also eine Umsetzungsrichtlinie, die dem Umstand Rechnung trägt, dass Online-Video im Gegensatz zu den vom Telemediengesetz erfassten statischen Websites ein lineares Medium ist.

Wie bitte? Ein lineares Medium? Gemeinhin werden 'on demand' abrufbare Videos als 'nonlinear' bezeichnet.

Ein Video anzuschauen, ist immer ein lineares Erlebnis. Es macht nur Sinn, wenn ich vorn anfange und dem Verlauf folge. Das ist etwas anderes als wenn ich eine Seite aufschlage, sei es im Web oder auch in einem Printmedium. Dort habe ich ein mehrdimensionales Gesamterlebnis, das mir als Nutzer weitgehend die Richtung und die Reihenfolge überlässt. Das geht bei einem Video einfach nicht. Wenn 'nonlinear' als Begriff für die zeitsouveräne Abrufbarkeit gemeint ist, dann ist es ein schiefer Begriff. Denn eigentlich geht es nicht um linear oder nonlinear, sondern um synchron oder asynchron. Ein Video läuft linear ab, wird bei uns aber asynchron geguckt, während im klassischen TV alle Zuschauer synchron gucken. Wenn wir über Kennzeichnung reden, ist das natürlich ein Vorteil für uns, weil unsere Zuschauer nicht in ein bereits laufendes Programm reinzappen, bei dem sie den Werbehinweis bereits verpasst haben.

Dennoch: Wenn Sie den Begriff 'linear' benutzen, begeben Sie sich automatisch in die Nähe von Rundfunk und damit von noch strengerer Regulierung...

... womit wir kein grundsätzliches Problem hätten. In den meisten Fällen kennzeichnen wir schon heute so, als würden wir unter § 7 des Rundfunkstaatsvertrags fallen – mit einer Einblendung "Unterstützt durch Produktplatzierung" am Anfang und am Ende des Videos. Entgegen den unbegründeten Anschuldigungen der Redaktion von "Report Mainz" gehen wir nämlich lieber einen Schritt zu weit als zu kurz. Die Frage, ob wir am Ende des Tages unter den Rundfunkbegriff fallen, steht sicher im Raum. Aber das muss der Gesetzgeber beantworten. Wir sind uns jedenfalls unserer großen Verantwortung bewusst, die mit der hohen emotionalen Kraft des Mediums Online-Video einhergeht.

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Glauben Sie, dass alle Channel-Betreiber so verantwortungsvoll sind?

Man darf nicht vergessen, dass unsere noch junge Industrie zunächst vor allem mit der Heimarbeit unzähliger junger, kreativer Menschen begonnen hat. Auf einmal konnte jeder sein eigener, kleiner Fernsehsender werden. Das ist Teil der Revolution von Online-Video. Da besteht natürlich das Risiko, dass nicht jeder einzelne so genau weiß, was er machen darf und was nicht. Wir unterstützen diese jungen Menschen nun bei der notwendigen Professionalisierung. Das ist einer der Werte, die wir als Netzwerk unseren Partnern bringen.

Herr Olsson, herzlichen Dank für das Gespräch.