Herr Schönenborn, wieso kann sich der WDR die Samstags-Ausgaben der "Lokalzeit" nicht mehr leisten?

Wir sparen nicht an den Landesprogrammen. Nach sorgfältiger Betrachtung habe ich die Prioritätenentscheidung getroffen, dass das Geld, das in den Landesprogrammen ist, dort auch bleibt. Das Geld soll jedoch anders, nämlich strategischer und effektiver, verwendet werden, um Programmsubstanz zu erhalten. Das ist das, was die Leute von uns erwarten; und das stärkt gleichzeitig auch die DNA des WDR. Außerdem stelle ich aus Innovationsmitteln befristet zusätzlich 600.000 Euro zur Verfügung, um die "Lokalzeit"-Inhalte noch besser auf Netz-Plattformen zu bringen. Unser Problem ist, dass die Landesprogramme schon jetzt unterfinanziert sind und dass wir vor allem am Samstag aus Kostengründen immer wieder Beiträge zwischen den Lokalzeiten austauschen müssen. Wenn wir so weitermachen würden, kämen wir an eine Grenze, die ich aus Qualitätsgründen schwierig fände.


Es ist in einer Mitteilung des WDR die Rede von einer Stärkung des journalistischen Profils gewesen. Da darf die Frage erlaubt sein, ob das journalistische Profil der "Lokalzeit" bisher so schwach war, dass es nötig ist, hier eine Stärkung vornehmen zu müssen.

Die derzeitige Programmqualität ist gut, aber wir werden sie auf diese Weise nicht halten können. Wir betreiben nirgendwo einen so hohen Personalaufwand wie in der Lokalberichterstattung, weil wir alles originär recherchieren und drehen müssen. Das ist ja nicht wie in der Ukraine, wo Sie auch Agenturmaterial verwenden können. Deswegen ist es ein Kennzeichen dieses Programms, dass wir durch Tarif- und Kostensteigerung von Jahr zu Jahr letztlich weniger Geld für journalistische Arbeit zur Verfügung haben. Nominal sind die Etats zwar gestiegen, aber die Kostensteigerungen waren höher als das, was wir im Etat drauflegen konnten. Deswegen hat der Programmbereich mir vorgeschlagen, dort anzusetzen, wo wir deutlich weniger Publikum haben - nämlich am Samstag.

Von wie vielen Zuschauern weniger reden wir da?

Wir holen gegen die "Sportschau" einen Marktanteil von 16 Prozent, im Vergleich zu einem Durchschnittsmarktanteil von knapp 27 Prozent, den wir sonst mit unseren "Lokalzeiten" erzielen. Wir senden bislang also elffach aus unserem Sendegebiet gegen die "Sportschau". Daher ist es der Plan, an dieser Stelle einen Schnitt zu machen und eine Landessendung zu zusammen zu stellen, in der Aktuelles und Freizeitorientiertes aus den Regionen gezeigt werden. Das entspricht dem Charakter des Samstags und wird für das "Lokalzeit"-Publikum sehr interessant sein.

Was passiert mit dem Geld, das Sie dadurch einsparen? 

Das ersparte Geld nutzen wir, um die steigenden Kosten aufzufangen, vor allem aber, um mehr in die Ausgaben von Montag bis Freitag zu investieren. Dort soll auch mal Geld für außergewöhnliche Stücke vorhanden sein. Außerdem möchte ich in die digitale Verbreitung investieren. Mein wichtigstes strategisches Ziel ist die Verbesserung der Angebote für Jüngere. Da sehe ich in den Landesinhalten einen großem Schatz, den wir auf den Plattformen im Netz noch viel besser verbreiten können als bisher. Insofern ist das für mich im Kern ein Umsteuern von Alt auf Jung. Wir haben samstags das geringste und zugleich älteste Publikum im Vergleich zu den anderen Wochentagen.

Sind es trotzdem nicht eher die aktuellen Informationen, die man jederzeit im Internet abrufen möchte als Berichte über das "Wochenend- und Freizeitgefühl", die Sie nun für die "Lokalzeit" am Samstag angekündigt haben?

Das ist am Samstag nicht der Fall. Die aktuelle Information ist ja gesichert. Alles, was es an Aktualität aus dem Land gibt, wird es in der "Lokalzeit Weekend" geben. Aber die Analyse der bisherigen Sendungen zeigt, dass es relativ wenig Aktualität am Samstag gibt, und die Sendungen jetzt schon sehr freizeitorientiert sind. Ich habe mir die Themenübersicht über mehrere Wochen hinweg angesehen und ich verspreche Ihnen, dass es keinen Verlust an aktueller Berichterstattung geben wird.

Teilen Sie denn grundsätzlich die Sorge, dass auch nur bei einer gefühlten Reduzierung der lokalen Inhalte die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet, den Rundfunkbeitrag zu zahlen?

Ich habe die Sorge, dass die Akzeptanz dann schwinden würde, wenn wir Standorte schließen würden. Das wäre der zwingende Schritt, wenn wir nicht umsteuern. Der größte Schaden, den wir der Lokalberichterstattung antun könnten, wäre der Rückzug aus den Regionen. So lange wir es uns leisten können, möchte ich, dass wir in der Region überall dort präsent sind, wo wir es jetzt sind. Ich bin davon überzeugt, dass wir künftig weiterhin auch am Samstag ein attraktiveres Programm haben werden, weil wir mehr in die Hand nehmen können als bei elf Einzelsendungen. Das wird auch dazu führen, dass wir keinen Verlust an Publikumsakzeptanz haben werden.

Andere Dritte Programme wie NDR oder SWR haben zuletzt die regionale Berichterstattung sogar erweitert. Ist es denkbar, dass das in absehbarer Zeit auch beim WDR passieren kann?

Kein anderer Landessender hat auch nur annähernd eine so vertiefte regionale Berichterstattung wie wir. Da müssen wir uns keineswegs verstecken – weder quantitativ noch qualitativ! Wir machen jeden Werktag aus elf Regionen des Landes 35 Minuten Programm. Das ist ein exzellentes Angebot.

Komplett eingestellt wird der "Bericht aus Brüssel", der künftig im "Europamagazin" aufgehen soll. Welche Beweggründe haben zu dieser Entscheidung geführt?

In der Europa-Berichterstattung kommt es zu Umschichtungen. Die Sendung "Bericht aus Brüssel" fällt im WDR Fernsehen weg, das stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit; denn: die Etatmittel und Ressourcen werden vollständig investiert, um die europapolitische Berichterstattung insgesamt zu stärken. Dazu gehört, dass das ARD-"Europamagazin" einen neuen, guten Sendeplatz am Sonntag um 12:45 Uhr bekommt, im Anschluss an den "Presseclub". Das" Europamagazin" übernimmt das klare Profil des europäischen Politik-Magazins "Bericht aus Brüssel" – mit mehr Ausgaben im Jahr als bisher, die zudem mit höherem Aufwand produziert werden. "Bericht aus Brüssel" übernehmen wir als Untertitel mit ins ARD-"Europamagazin". Mit anderen Worten: Wir heben das politische Europa-Magazin aus unserem Dritten Programm ins Erste. Im Dritten planen wir außerdem eine kontinuierliche europapolitische Berichterstattung in "WDR Aktuell". Und es wird Europa-Reportagen auf dem Sendeplatz von "WDR Weltweit". Wir wollen mehr denn je der Europasender sein.

Herr Schönenborn, vielen Dank für das Gespräch.

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