Nichts und niermand kann Frank Underwood auf seinem Weg an die Spitze des amerikanischen Staats gefährlich werden. Er arbeitet schließlich in einem Hochsicherheitstrakt – dem Weißen Haus. Sprecher Till Hagen, der Kevin Spaceys Charakter in "House of Cards" seine Stimme leiht, wird zumindest teilweise nachvollziehen können, wie sich das anfühlt. Denn die amerikanischen Studios fordern inzwischen strenge Vorsichtsmaßnahmen ein, wenn sie ihre Serien in deutschen Studios synchronisieren lassen. "Materialien sind signiert, haben Ton- und Wasserzeichen, unsere Serverräume sind gesichert, Zugangsberechtigungen werden kontrolliert. Es darf nichts einfach mehr unkontrolliert verschickt werden", erklärt Anatol Holzach von Scalamedia, das für die deutsche Version des Netflix- und Sky-Hits verantwortlich zeichnet.

Rainer Ludwig von der FFS Film- & Fernseh-Synchron ("Game of Thrones", "CSI: Vegas") sagt: "Die Studios schicken uns zum Teil Leute, die unsere Technik prüfen, welche Firewalls im Einsatz sind, wie Besucher gecheckt werden." Um jeden Preis soll vermieden werden, dass nach außen dringt, welche Wendung eine beliebte Serie in der nächsten Staffel nimmt oder von welchem Charakter sich die Zuschauer verabschieden müssen.

Bei vielen Kinofilmen sind die Auftraggeber schon heute dazu übergegangen, nur Bilder zu liefern, die großflächig geschwärzt sind. Lediglich die ausgeschnittenen Münder der Protagonisten sind noch zu sehen. Kein Wunder, dass sich die Studios dadurch in ihrer Arbeit behindert fühlen. "Wir machen ja eine Synchronisation und kein Hörspiel", sagt Bernd Kupke von EuroSync in Berlin. "Wenn Autor und Regisseur gar nicht mehr wissen, in welcher Umgebung eine Szene spielt, in welchen Räumlichkeiten, und wie dort die Stimmung ist, wird es schwer, Qualität abzuliefern." Auch bei "The Walking Dead" sollten erst teilgeschwärzte Bilder geliefert werden. Er habe sich aber dafür eingesetzt, mit dem kompletten Material arbeiten zu können, sagt Kupke. "Wie soll ich sonst argumentieren, wenn die Zuschauer sich nachher wundern, warum die Synchronisation sich seltsam anhört? 'Entschuldigung, wir haben leider nichts gesehen?'"

Letztlich würden sich die Produzenten mit solch übertriebenen Vorsichtsmaßnamen ins eigene Fleisch schneiden, glaubt der EuroSync-Geschäftsführer. "Weil eine Serie, mit der sich gutes Geld im deutschen Markt verdienen ließe, mit einer unpassenden Synchronisation abgewertet wird." Piraterie passiere außerdem so gut wie nie in den Synchronstudios.

"Es gab seitens der amerikanischen Studios lange das Missverständnis, deutsche Zuschauer wollten bloß verstehen, was in einer Serie gesprochen wird", ist Rainer Ludwig von der FFS überzeugt. Dabei gehe es um gutes Entertainment. "Ich bin der Überzeugung, dass eine sehr gute Synchronisation einer Serie durchaus zu höheren Zuschauerzahlen verhelfen kann." Holzach ergänzt: "Eine Synchronisation ist immer dann gelungen, wenn Sie in den Hintergrund tritt und Sie sich als Zuschauer ins Geschehen hineinfallen lassen können."

Natürlich kann auch genau das Gegenteil passieren – so wie bei "Vikings", das im vergangenen Jahr bei ProSieben lief, von den Zuschauern aber wegen der unpassenden deutschen Fassung kritisiert wurde. Das hatte tatsächlich Konsequenzen. Vor dem Start der zweiten Staffel im April ließ ProSieben die Serie komplett neu synchronisieren (DWDL berichtete). Sprecher Christoph Körfer erklärt: [Der Produzent] "MGM und wir haben gemeinsam vor der Ausstrahlung der zweiten Staffel die Chance gesehen, noch einmal relevante Verbesserungen an der Synchronisation der gesamten Serie vorzunehmen. Das betraf sowohl eine bessere Besetzung der Synchronstimmen als auch eine hochwertigere Adaption des Scripts. So etwas kommt nicht häufig vor, aber die Serie war uns diesen Aufwand wert."

Gebracht hat es leider nicht viel: Trotz der ganzen Mühe enttäuschten die Zuschauerzahlen der zweiten Staffel. Womöglich war vielen Zuschauern die Lust auf "Vikings" schon vergangen.

Umso wichtiger ist die Sorgfalt im Studio. Rainer Ludwig von der FFS meint, die Herausforderung für den Autor liege darin, möglichst nah am Original zu bleiben und die deutsche Version trotzdem in einer lebendigen Sprache zu verfassen. Und wenn es eine ist, die gar nicht existiert, muss eben besonders genau hingehört werden. Sobald Daenerys Targaryen bei "Game of Thrones" Dothraki spricht, achtet der Regisseur auf feinste Nuancen, damit die Neuaufnahmen eine identische Spiegelung der - erfundenen - Sprache ergeben. Andere Schwierigkeiten tauchen regelmäßiger auf: "Verweise auf politische Gegebenheiten in den USA lassen sich nicht eins zu eins ins Deutsche transferieren, ähnlich ist es mit kulturellen Anspielungen", sagt Ludwig. "Ein richtig guter Autor kriegt es trotzdem hin, vielleicht nicht immer an derselben Stelle, aber zwei Sätze später."

"Wir halten uns möglichst nah ans Original, aber oft ist es eine subjektive Frage, wie man Witze übernimmt, die sich nicht eins zu eins ins Deutsche übertragen lassen", meint Anatol Holzach von Scalamedia. Bei "How I Met Your Mother" habe das regelmäßig zu Diskussionen geführt – weil die Auffassungen, wann ein Gag gelungen ist und verstanden wird, sich unterscheiden.

Mit OmU-Ausstrahlungen haben die deutschen Sender bislang kein großes Glück gehabt, auch wenn viele Zuschauer im Netz ihre Vorliebe für Originalversionen bekunden. Dabei könne eine deutsche Version auch dem Publikum einen Mehrwert liefern, das Englisch spricht, ist Holzach überzeugt: "Bei Serien wie [der NBC-Sitcom ] 'Community' mit ihren sehr schnellen Dialogabfolgen dürften nur wenige Zuschauer, die keine Native Speaker sind, noch mitkommen. Da tun sich ja schon unsere Übersetzer, die Amerikaner und Briten sind, schwer, in die dritte oder vierte Ebene zu hören." Rainer Ludwig von der FFS sagt: "Unsere Aufgabe ist es, die Zuschauer so zu begeistern, dass sie sich für die Synchronfassung entscheiden. Auch wenn Sie vielleicht Englisch verstehen." Weil es letzten Endes nur auf eines ankommt: Ob sich das Publikum gut unterhalten gefühlt hat. In welcher Sprache auch immer.

Warum die Synchronstudios unter immer größerem Zeitdruck arbeiten müssen, steht im ersten teil des Texts, der bereits erschienen ist.

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