Logo: Berliner ZeitungBei der "Berliner Zeitung" herrscht Ausnahmezustand. Die Redaktion forderte am Donnerstagabend öffentlich den Rücktritt von Josef Depenbrock, dem Chefredakteur des Blattes und gleichzeitigem Geschäftsführer des Berliner Verlags. "Herr Depenbrock, wir haben das Vertrauen in Sie verloren. Treten Sie zurück!" lautet die unmissverständlich formulierte Forderung in einem offenen Brief an Depenbrock.

Anlass der Eskalation war die Ankündigung eines erneuten "massiven Sparkurses" bei der "Berliner Zeitung", der die Umsatzrendite auf 18 bis 20 Prozent erhöhen solle. Auch ein Stellenabbau sei dazu nicht ausgeschlossen worden, heißt es vom Redaktionsausschuss. In dem offenen Brief wirft die Redaktion ihrem Chefredakteur vor, er sei "entweder nicht willens oder nicht in der Lage, die Redaktion angemessen zu führen".

Nach Ansicht der Redaktion habe sich die Situation bei der "Berliner Zeitung" seit dem Frühjahr 2006, als Depenbrock sein Amt angetreten hat "dramatisch verschlechtert". "Ihre mehrfach geäußerte Anschauung, die Redaktion lasse sich per Autopilot leiten, zeigt Ihr mangelndes Verständnis der Aufgaben des Chefredakteurs einer Qualitätszeitung", so die Breitseite im offenen Brief der Redaktion. Von Depenbrock seien in seiner Amtszeit "so gut wie keine inhaltlichen Impulse ausgegangen."

Doch nicht nur an Depenbrock, auch an den Eigentümer David Montgomery selbst richtet der Redaktionsausschuss in einem offenen Brief ebenso offene Worte und beklagt einen übermäßigen Sparkurs. Montgomery wird aufgefordert, seine aktuelle Geschäftspolitik zu überdenken, sonst drohten "die Inhalte unseres Produktes (...) zu verarmen". "Sollte Mecom außerstande sein, eine neue Strategie zu entwickeln, fordern wir im Interesse der Zeitung und ihrer Leser nach einem neuen geeigneten Eigentümer für die 'Berliner Zeitung' zu suchen."

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Der Konflikt bei der "Berliner Zeitung" schwelt schon seit der Übernahme des Berliner Verlags durch den Finanzinvestor David Montgomery im Herbst 2005. Schon damals fürchtete die Redaktion einen massiven Stellenabbau. Als Montgomery dann Josef Depenbrock ohne Rücksprache mit der Redaktion als Geschäftsführer einsetzte, obwohl diese sich gerade in Verhandlungen über ein Redaktionsstatut befand, das unter anderem ein Mitspracherecht bei der Einsetzung des Chefredakteurs sichern sollte, wandte sich die Redaktion in einem Brief an die Leser. Darin brachte sie "die Sorge um die Zukunft Ihrer und unserer Zeitung" zum Ausdruck. Die "Berliner Zeitung" erschien damals nur als Notausgabe.

Besonders kritisiert wurde schon damals, dass Depenbrock nicht nur Chefredakteur wurde, sondern auch der Geschäftsführung des Berliner Verlags angehörte. Diese Verquickung verstoße ebenfalls gegen das Redaktionsstatut. Doch statt das zu ändern, stieg Josef Depenbrock schließlich sogar zum alleinigen Geschäftsführer des Berliner Verlags auf. Trotz mehrfacher Appelle machte Depenbrock deutlich, dass er an beiden Ämtern festhalten werde. Die Redaktion prüfte im Anschluss eine Feststellungsklage gegen ihren Chef.