Kann es zu viel gutes Fernsehen geben? Über dieses Luxus-Problem wurde nach Interview-Aussagen eines US-Senderchefs kürzlich mehr oder weniger ernsthaft diskutiert. Zweifelsohne ist das Angebot an herausragenden Serien aus aller Welt inzwischen überwältigend groß und der Überblick zunehmend schwierig. Die Suche nach dem nächsten Serien-Kult macht Programmeinkäufer wie Serienfans gleichermaßen zu medialen Trüffelschweinen. Wer entdeckt zuerst die nächste Kultserie? Statt auf die fertige Staffel zu warten, sorgen immer mehr Produktionen schon mit ihren Pilotepisoden für große Aufmerksamkeit. Der immer wichtigere, internationale Vertrieb - für den man früh Herzeigbares braucht - hat hier maßgeblich zur Öffnung geführt und spätestens Amazon hat die Pilotierungsphase aus den Hinterzimmern geholt und zum demokratischen Prozess über sein Serienangebot gemacht.
In diese Entwicklung passt ein neuer Serienwettbewerb. Das altehrwürdige Filmfestival Mannheim-Heidelberg hat sich in seinem 64. Jahr der Faszination für Serien hingegeben und mit dem New Creators Award in diesem Jahr eine Auszeichnung für Serienprojekte geschaffen, die schon sehr frühzeitig frische Impulse bei neuen kreativen TV-Produktionen honorieren soll. Kurator des Wettbewerbs ist DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges. Nach einer Woche der Screenings wurde am Samstagabend die diesjährigen Gewinner ausgezeichnet: Die norwegische Thriller-Serie „Occupied“ setzte sich bei der Jury bestehend aus Rola Bauer (CEO von Tandem Productions), Marcus Ammon (Senior Vice President Film, Sky Deutschland), Nico Hofmann (Co-CEO der UFA) und Juliana Lima Dehne (Drehbuchautorin) durch.

„Occupied“ ist eine Serie, die das Publikum außergewöhnlich schnell in ihren Sog zieht. Sie erzählt vom norwegischen Ministerpräsident Jesper Berg; einem smarten Mann mit Visionen. Er glaubt an die erneuerbaren Energien seines Landes so sehr, dass er die komplette Ölproduktion von heute auf morgen einstellt. Er handelt aus Überzeugung. Doch nur wenig später wird er via Helikopter entführt. An Bord geschieht dann Unglaubliches. Russlands Präsident stellt Berg via Videokonferenz vor die Wahl – entweder er stimmt der Wiederaufnahme der Ölförderung unter russischer Verwaltung zu oder er wird den Helikopter nicht lebend verlassen. Berg verlässt den Helikopter lebend - zum Preis der Unabhängigkeit Norwegens.
Im April diesen Jahres schaffte es die Serie „Occupied“ bereits als vielversprechendes Projekt ins DWDL.de-Schmuckkästchen - unserer Auswahl besonders bemerkenswerter Produktionen im internationalen TV-Geschäft. Im Sommer folgte ein Portrait der Serie in unserer Reihe „Made in Europe“. Die Jury des New Creators Award des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg war besonders vom Storytelling und der Intensität angetan. „Ein mit hoher Geschwindigkeit erzählter Polit-Thriller; unglaublich gut geschrieben, gefilmt und gecasted, bis hin zu Nebenrollen. Eine wirklich spannende Geschichte und das von Beginn an“, urteilt die Jury.

Die dänische Produktion - ein Wirtschaftsthriller, den DWDL.de im Sommer bereits vorgestellt hat - wurde für ihre „realistisch gezeichneten und gleichzeitig klaren und für jedermann einfach zugänglichen Charaktere“ geehrt. Aber auch Regie, Kamera, Musik hätten ihren Teil dazu beigetragen. „Es ist eine lokale Geschichte für die internationale Arena und das sollte anerkannt werden“, so die Fachjury. Die Neonazi-Comedy „Familie Braun“ - eine Produktion der Polyphon für das ZDF aus der Feder von Manuel Meimberg (Foto) und Uwe Urbas - wurde wiederum für seine Kühnheit hervorgehoben. Familie Braun wird heute Abend für seine Kühnheit geehrt.

Neben den Gewinnern des Abends äußerte sich auch Dr. Michael Kötz, Geschäftsführer und künstlerischer Direktor des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg, sehr glücklich. „Ich bin froh, dass wir es uns gewagt haben, dieses Neuland zu betreten und einen zweiten, neuen Wettbewerb der Serien einzurichten, beginnend mit der 64. Ausgabe des Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Und wer 64 wird, der sollte sich sowieso nicht einfach ausruhen auf all dem, was er jetzt kann und weiß, sondern genau das machen, was dann besonders erfrischend ist: Ins kalte Wasser springen. Das haben wir gemacht.“