„Ich bin 65, mein Anzug ist ein Jahr alt – im Schnitt bin ich also 33.“ Thomas Gottschalk legte bei der Eröffnung der Medientage München ein besonderes Verständnis von Mathematik an den Tag. Ihm, dem großen Unterhalter, dem es jahrzehntelang wie keinem Zweiten gelang, die großen Stars zu bändigen, kam am Mittwoch nun erstmals die Aufgabe zu, jene zu befragen, die hinter der Kamera das Sagen haben. Am Ende zeigte sich Gottschalk ein Stück weit erleichtert: „Die digitale Disruption hat bei euch keine Krankheitsbilder hinterlassen“, stellte er fest, nachdem die Vertreter von ZDF, ProSiebenSat.1, Sky oder Amazon allesamt einen optimistischen Ausblick in die Zukunft gegeben hatten.

So freute sich ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler über eine „sehr lebendige Produzentenlandschaft“ und bezeichnete neue Player wie Amazon und Netflix als Ansporn, während Wolfgang Link, Vorsitzender der Geschäftsführung von ProSiebenSat.1 TV Deutschland, einmal mehr vom „Content-Powerhouse“ erzählte und das Ziel ausgab, „die besten Talente und Kreativen an uns zu binden“. Gleichzeitig sprach er von den „vielen tollen Serien“ im Programm, was zumindest mit Blick auf die erschreckend geringe Rate an seriellen Eigenproduktionen ein Stück weit angezweifelt werden darf.

An genau diesem Punkt setzte der neue Sky-Deutschland-Chef Carsten Schmidt an: „Wir haben gesehen, dass das öffentlich-rechtliche und private Fernsehen nicht viel besser geworden ist“, sagte er und will daher verstärkt mit eigenen Produktionen beim Publikum punkten. Der Vorteil, den man gegenüber früher habe, sei, dass man nichts mehr reparieren müsse. Schmidt: „Wir sind laut gescheitert und wieder aufgestanden.“ Inzwischen habe sich der Wind für Sky gedreht und komme von hinten. Dass der Wind schon bald wieder aus einer anderen Richtung wehen wird, glaubt er offensichtlich nicht. Doch auch Jay Marine, Vice President von Amazon Instant Video EU, gab Schmidt indirekt recht. Er sprach von einem großen Markt, auf dem es viele Gewinner geben könne.

Noch stehe Amazon aber an „Tag 1“ - und der Wandel werde sich fortsetzen. Das ZDF will auf diesen Wandel unterdessen mit neuen Formaten reagieren, die nicht nur über das lineare Fernsehen ihre Zuschauer finden. Das „Neo Magazin“ ist hier zu nennen oder auch die gerade erst ausgestrahlte Serie „Blochin“. Die habe zwar „nur drei Millionen Zuschauer“ erreicht, wie Programmdirektor Norbert Himmler zugab, dafür aber Zuschauer, die sonst nicht das ZDF einschalten. „Ich will häufiger ein anderes Publikum haben“, sagte er auf den Medientagen München mit Blick in die Zukunft und kündigte an, nicht mehr nur nach Sendeplätzen schauen zu wollen. So habe man etwa für „Sketch History“ viel Geld ausgegeben, obwohl das Format erst um 23 Uhr laufe. 

Und auch bei ProSiebenSat.1 hat man keine Angst vor neuen Konkurrenten – auch, weil man sich über Werbeschaltungen von Amazon freue, wie Wolfgang Link anmerkte. Gleichzeitig verwies er darauf, dass es eine ProSiebenSat.1-Tochter ist, die die Amazon-Serie „Bosch“ produziert. Doch bei aller Euphorie, die die Amazon-Vertreter bei den Medientagen ausstrahlten, gilt es noch abzuwarten, ob der Erfolg dieser On-Demand-Dienste von Dauer sein wird. ZDF oder Sky hätten den „Test of Time“ bereits bestanden, betonte Fred Kogel, der inzwischen bei Constantin Medien im Vorstand sitzt. „Netflix muss das erst noch bringen.“ Eine Serie wie „House of Cards“ sei jedoch ein „grandioser Marketingerfolg“ gewesen, gab er zu. Sicher ist, dass der Markt noch kleinteiliger werden wird als er es ohnehin schon ist.

Allzu große Erkenntnisse bot die Eröffnung der Medientage München freilich nicht. Doch nach einer stellenweise aus der Zeit gefallenen Rede der bayerischen Medien-Staatsministerin Ilse Aigner sowie einer klugen und zugleich erschöpfenden Keynote, in der „Wirtschaftswoche“-Chefredakteurin Miriam Meckel an die Medienmacher appellierte, die Menschen zu fordern, bot die Elefantenrunde einen stellenweise unterhaltsamen Ausgleich. Das lag auch an einem schlagfertigen Thomas Gottschalk, der etwa auf die „Rosenheim-Cops“ hinwies, als Norbert Himmler von großen Serien sprach, und ihn später daran erinnerte, dass das ZDF „Downton Abbey“ einst „im Weihnachtsprogramm versenkt“ habe. Und als es bei Kelly Day vom Multichannel-Netzwerk Awesomeness TV bei der Übersetzung haperte, fühlte er sich zeitweise gar an alte „Wetten, dass..?“-Zeiten erinnert.

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