ARD ZDF Fernsehwerbung© AZF

Herr Esser, Herr Strauch, wie leicht oder schwer ist es momentan, für ARD und ZDF Werbung zu verkaufen?

Strauch: Egal ob öffentlich-rechtlich oder kommerziell: Es ist schwer, Werbung zu vernünftigen Konditionen zu verkaufen, weil der Markt einfach versaut ist. Wir haben in Sachen Brutto-Reichweite derzeit eine Blase, die volkswirtschaftlich vielleicht noch verheerender ist als die Immobilienblase. Aber das Thema Qualität ist mittlerweile wieder von Bedeutung, weil viele Unternehmen gemerkt haben, dass die erhaltene Leistung das hochrabattierte Geld nicht wert war. Insofern stoßen wir – gekoppelt mit dem gemeinsamen Auftreten von ARD und ZDF – zumindest auf offenere Ohren als noch vor zwei Jahren.

Esser: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Als in der vergangenen Woche der Klitschko-Kampf bei RTL abgesagt wurde, haben wir den Kunden, die mit dieser Kommunikationsleistung gerechnet haben, direkt die "Sportschau" als Ersatz mit vergleichbarer Zielgruppe angeboten. Eine Agentur hat uns gefragt, ob wir einen ‚Clown gefrühstückt’ hätten. Es geht somit zumindest bei dieser Agentur also gar nicht so sehr um die kommunikative Leistung, sondern um das Sender-Volumen. Daran sieht man, wie unterschiedlich die Businessmodelle sind. Darauf muss man reagieren und den Kunden und Agenturen klar machen, was auf der Leistungsdimension passiert.

Ist das bislang gelungen? Wie ist 2010 für Sie verlaufen – und wie wäre es ohne den gemeinsamen Vertrieb verlaufen?

Esser: 2010 war ein gutes Jahr. Wie es ohne die AZF gelaufen wäre, weiß ich nicht. Ich glaube allerdings, dass das Jahr anders verlaufen wäre, wenn wir nicht nun doppelt so viele Mitarbeiter im Vertrieb hätten. Denn je mehr Mitarbeiter man hat, desto mehr Themen kann man platzieren. Insofern haben wir alles richtig gemacht. Wir haben die Personen zusammengebracht, mehr Präsenz der Öffentlich-Rechtlichen gezeigt und mehr Kontakte gemacht, als jeder für sich hätte erreichen können.

Strauch: Bei unserer Gründung vor zwei Jahren hat es uns nicht ganz gepasst, in die Krise zu starten. Das war nicht so angenehm, wie wir uns das vorgestellt hatten. Dadurch ging zunächst nicht ums Wachsen, sondern darum, zu halten, was wir erreicht hatten.

Mit welcher Strategie sind Sie vor zwei Jahren mit der AZF gestartet?

Strauch: Einer der Aspekte bei der Gründung war der, dass einige Kunden mit dem Start der kommerziellen Sender 1984 froh waren, von den Öffentlich-Rechtlichen wegzukommen. Das waren auch gerade einige  US-Konzerne, die mit ARD und ZDF in Deutschland groß geworden sind, und die dann die Kommerziellen strategisch gestützt haben. Jetzt haben diese Konzerne 20 Jahre Erfahrung mit unseren lieben Konkurrenten und mussten feststellen, dass immer mehr Werbung nicht auch zwangsläufig mehr Abverkauf bedeutet. Stichwort GRP-Blase um die prozentuale Brutto-Reichweite.

Esser: Wir haben den Umbruch der Krise unter anderem dazu genutzt, um bei unseren ehemaligen Kunden anzusetzen und mit Ihnen über Zielgruppendefinition und Wirkungsbeitrag zu sprechen – also darüber, ob es nicht sinnvoller sein kann, in einem unserer kurzen aufmerksamkeitsstarken Werbeblöcke einer von fünf zu sein, statt einer von 25 bei den Kommerziellen. Wir haben die Branchen definiert, bei denen wir auch aufgrund der Konsumzielgruppendefinition eine überragende Bedeutung haben. Dadurch haben wir in den vergangenen zwei Jahren eine ganze Reihe  neuer Kunden gewinnen können. Das hat unter anderem etwas mit Käuferzielgruppen zu tun, aber auch damit, dass der Markt  umdenkt und man realisiert, dass der Anteil der älteren Menschen stetig zunimmt.

Das klingt als seien Sie mit der Entwicklung zufrieden. Wo sehen Sie denn Bedarf zu Nachjustierung?

Strauch: Man kann offen sagen, dass wir uns noch besser beim Thema Referenzzielgruppe abstimmen müssen. Die AS&S sagt ja zur Zielgruppe: 20 bis 59 Jahre, und wir vom ZDF-Werbefernsehen halten das für Quatsch. Denn bei Werberelevanz geht es um den Kauf – und dafür ist das Alter nicht trennscharf. Wenn Referenz, warum nicht Gesamtbevölkerung? Warum soll man plötzlich bei den 59-Jährigen abschneiden? Gesamtbevölkerung tut uns beiden gut.

Esser: Für mich muss es kein Dogma der Altersgruppen geben. Ich halte es aus Sicht der ARD für interessant, unter anderem Familienzielgruppen zu definieren, die wir mit unseren verschiedenen Formaten erreichen – nehmen Sie Programme wie die „Sportschau“, „Quiz“ oder „Wetten dass...?“. Hier können wir im Markt gemeinsam unsere Stärken ausspielen.  Ich will aber nicht dem Jugendwahn des Fernsehgeschäfts verfallen. In der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen haben wir nicht unser Kerngeschäft, da spielt die Musik eher im Online-Markt.