Wie, das sind normale Menschen?

Ich muss ein Geständnis machen. Nein, es folgt nun kein bebildeter Exkurs in meine sexuellen Vorlieben und die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten tiefgefrorener Butterriegel. Stattdessen muss ich nach dem erst soeben er- und überlebten Wochenende meine Meinung über so manche Leute in aller Öffentlichkeit revidieren. Oder zumindest mit einem hübschen Weichfilter versehen.

Natürlich wäre ich zu einem derart drastischen Schritt niemals in der Lage, hätte ich an diesen Feiertagen nicht mein ganz persönliches Osterwunder erleben dürfen: Jenny aus dem Big Brother-Haus! Soweit, so belanglos. Doch die folgenden drei Stunden mit diesem von mir im Vorfeld schon zur niedersten Niveauklasse degradierten Bewohner haben mir tatsächlich die Augen geöffnet und mich folgendes erfahren lassen: Das Fernsehen lügt!

Zugegeben, das ist nicht gerade ein brennender Dornenbusch, doch immerhin musste ich für diese Erkenntnis auch nicht monatelang an einer bescheuerten Arche herumhämmern.

Wie bitte? Was zum Teufel ich eigentlich damit sagen will, das ich ganze drei Absätze lang drum herumschwafeln muss? Ganz einfach!

1. Ich werde für diese Kolumne nach Wörtern bezahlt.

2. Schon mal versucht, jede Woche ein neues Thema zu finden? Über ein Dutzend eingepferchter Amöben? Es gibt Primatenforscher, die mehr zu berichten haben!

3. Es ist schlichtweg schockierend für ein TV-Kind wie mich, seine innerhalb von fünf harten Wochen gesammelten Vorurteile im Sekundentakt platzen zu sehen.

Womit wir auch endlich bei der seit 219 Wörtern aufgeschobenen Entschuldigung angelangt wären. Denn die von mir bei jeder Gelegenheit in Wort und Bild als Prototyp der modernen Schlampengeneration abgehandelte "Big Brother"-Ex-Bewohnerin Jennifer ist allen Vorurteilen zum Trotz tatsächlich eine überaus nette Person. Ja, fast schon ein ganz normaler Mensch!

Gut gelaunt, freundlich, unerwartet schüchtern und äußerst unproblematisch war es, das erste Aufeinandertreffen mit meinem fleischgewordenen Hassobjekt. Natürlich, das Haar hatte immer noch dieselbe, in keiner Galaxis als "echt" anerkannte Farbe und über ihren Augen lieferten sich auch weiterhin zwei kleine magersüchtige Maden ein nie enden wollendes Wettrennen ... doch von Arroganz, Kamerageilheit oder schlicht himmelschreiender Dummheit keine Spur! Dafür eine Menge Selbstironie, Freundlichkeit und - ich weiß, es ist schwer zu glauben - Charme.

Wo ein miesgelaunter Kay nach seinem Auszug schon beim harmlosen Nachtfalke-Bügelspiel mit verweinten Augen in die Arme des Managers flüchtete konnte eine Jenny selbst durch "Weisst du"-Phrasensparschweine und Fragen bezüglich ihrer aktuellen Unterwäschesituation nicht aus der Fassung gebracht werden. Eine Jenny ließ sich sogar anstandslos den garantiert haarfreien Wimpernersatz zwecks Belustigung der Nachwelt mit fettigem Edding und billigem Butterbrotpapier abzeichnen. Live! Im Fernsehen! Respekt.

Man stelle sich einmal vor, was dieser offenbar falsche erste TV-Eindruck in Bezug auf die anderen "Big Brother"-Bewohner bedeuten könnte! Womöglich können wir uns schon bald auf die ersten wissenschaftlichen Dissertationen von Prof. Dr. "Speckscheitel" Jerry freuen? Den ausführlichen Sexberater von Sachsengöllüm Heiko? Die neue Ausgabe des Knigge-Führers, mit einem Vorwort von Rektalorchester Franzi? Oder gar die erste monogame Beziehung im Leben des Blasehasen Jeannine?

Nun gut, auch hier sollte man irgendwo seine Grenzen setzen. Nicht alles ist entschuldbar. Denn selbst falls sich irgendwann einmal herausstellen sollte das Assi-Yoda Michael durch pures Handauflegen Hämorrhoiden heilen kann bleibt er schließlich immer noch der, dem ich täglich von 19:00 bis 20:00 Uhr blutende Ohren und spontanen Sekundenschlaf zu verdanken habe! Dank dessen Oberkörperfreier Tattooschau ich selbst heute noch schweißgebadet von meinen eigenen gellenden Schreie aufgeweckt werde!

Nein. So nicht! Nicht jeder hat zwangsläufig einen zweiten Eindruck verdient. Oder wie Jean Luc Picard mit grimmiger Visage sagen würde: "The line must be drawn here!"