"Der Inhalt ist kopiergeschützt." Diesen oder einen ähnlich lautenden Satz bekam zu sehen, wer am 18. oder 19. April 2008 versuchte, eine Sendung bei ProSieben aufzuzeichnen. Digitale Aufnahmegeräte wie DVD- oder Festplattenrecorder versagten ihren Dienst, weil ein Kopierschutz-Signal mitgesendet wurde. Ein Testlauf sei das nicht, beeilte man sich bei ProSieben die Wogen zu glätten, sondern lediglich eine technische Panne bei einem Dienstleister. Tatsächlich trat das Kopierschutzsignal seitdem nur noch ein weiteres Mal auf, erneut aufgrund eines Fehlers. Doch der Vorfall führte immerhin einem größeren Publikum vor Augen, dass die Möglichkeit zum Aufzeichnen von Fernsehprogrammen keineswegs für alle Zeiten naturgegeben bleiben muss.
Genau zwei Jahre später ist das damalige Szenario längst in der Wirklichkeit angekommen, wenn auch zunächst nur im Bereich des hochauflösenden Fernsehens. Die Astra-Plattform HD+, über die bislang als einzige die HDTV-Versionen von RTL, Vox, Sat.1, ProSieben und kabel eins zu empfangen sind, zeigt die Sender nämlich nicht nur grundverschlüsselt und verlangt - ähnlich wie im Kabelmarkt schon lange üblich - erstmals auch Satelliten-Empfängern eine Grundgebühr ab, sondern macht den dann zahlenden Zuschauren auch noch strenge Vorschriften.
Wer sein Programm über einen HD+-Receiver empfängt, kann die HD+-Sender zwar auf der internen Festplatte aufzeichnen, ein Archivieren der Sendungen auf DVD oder sonstigen externen Speichermedien ist aber "generell nicht möglich", wie HD+ selbst in einer Mitteilung betont. Und das ist aus Nutzersicht nicht die einzige Einschränkung: HD+ lässt auch einen alten Traum der Fernsehsender wahr werden und legt die Vorspul-Taste bei Aufnahmen lahm, um so zu verhindern, dass Werbeblöcke einfach übersprungen werden. Wer seinen bisherigen Receiver nutzen will, muss die CI-Schnittstelle durch ein Modul so aufrüsten, dass auch auf diesen Geräten dann die entsprechenden Restriktionen greifen. Wahlweise kann er auch den neuen und schon in diversen Geräten verbauten Standard CI Plus einsetzen.
Das "Plus" klingt nach Fortschritt und Modernität, bedeutet gegenüber dem herkömmlichen CI-Standard aber vor allem ein Plus an Möglichkeiten für Sender und Plattformbetreiber, die Freiheiten der Zuschauer zu beschneiden. Die eigentliche Eigenschaft, die ein digitaler Rekorder mit sich bringt, ist dann beim Empfang von HD+ über CI Plus nämlich gar nicht mehr nutzbar: Die Aufnahme-Funktion wird generell deaktiviert, zugestanden wird den Zuschauern lediglich noch die Möglichkeit, das Fernsehprogramm zeitversetzt zu sehen - und auch das maximal bis zu 90 Minuten nach der Ausstrahlung. Über die Schnittstelle ließen sich auch andere Einschränkungen umsetzen. Eine Haltbarkeit für Aufnahmen - wenn sie denn erlaubt werden - etwa. Nach einer bestimmten Zeit ließen sich die Aufnahmen dann schlicht nicht mehr abspielen. Auf wenig Gegenliebe bei den Kunden dürfte auch die Möglichkeit stoßen, das Gerät zentral durch ein zwischengeschaltetes Trustcenter lahmzulegen, etwa wenn versucht wird, den Kopierschutz zu umgehen.
Angesichts dieser Restriktionen schlagen die Verbraucherschützer schon seit langem Alarm. CI Plus, das nicht nur von HD+, sondern auch von den Kabelnetzbetreibern unterstützt wird, sorge für eine Gängelung oder gar Entmündigung der Zuschauer, heißt es von den Verbraucherzentralen. Auch von Mascom, dem Hersteller des führenden freien Entschlüsselungsmoduls Alphacrypt, kommt ein harsches Urteil: "CI Plus bringt für Zuschauer nur Nachteile", so Gründer Heinz Gruber. Man werde keine CI Plus-Module auf den Markt bringen, denn "das widerspricht unserer Firmenphilosophie". Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronik-Industrie verteidigt den neuen Standard hingegen und schiebt den schwarzen Peter den Sendern zu: Sie entscheiden durch das Setzen entsprechender Signale, ob etwa ein Aufzeichnen möglich ist. "Das Endgerät wertet die Signale lediglich neutral aus". In der Einführung von CI Plus sehen sie im Gegenteil sogar Vorteile für die Kunden, weil so ermöglicht werde, dass nicht nur die wenigen offiziell von den Plattformbetreibern zertifizierten Geräte verwendet werden dürfen. CI Plus garantiere Wahlfreiheit und bringe den Kunden dadurch einen großen Nutzen.
Für die Sender kommen die neuen technischen Möglichkeiten vermeintlich wie gerufen. Sie sehen durch die steigende Verbreitung etwa von Festplattenrekordern und damit des zeitversetzten Fernsehens ihr Geschäftsmodell bedroht. Wenn das Überspringen von Werbung nur einen Knopfdruck entfernt ist, dann dürfte das die Refinanzierung ihres Programms tatsächlich nicht einfacher machen. Auch die Lizenzgeber freuen sich, dass nicht mehr so einfach Kopien der Inhalte erstellt werden können. Weil es auf viele Jahre hinaus aber auch weiterhin unverschlüsseltes Programm in Standardauflösung geben wird, stellt sich eher die Frage, ob man sich mit der neuen Zuschauer-Gängelung gerade im HDTV-Bereich nicht selbst ein Bein stellt. Der Akzeptanz des hochauflösenden Fernsehens, das es angesichts der recht guten Bildqualität des SD-Signals hierzulande sowieso schon schwerer hat als etwa in den USA, dürfte jedenfalls kaum geholfen sein, wenn damit zugleich solche Rückschritte für die Kunden verbunden sind.