Die TV-Trends 04/05: Schönheits-OPs und Co.
Neue Programmentwicklungen und TV-Trends der kommenden Saison wollte man entdecken. Dazu hatte ProSieben wieder einmal namhafte Programm-Macher eingeladen, um im Panel über die bevorstehende TV-Saison zu sprechen. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Michael Hanfeld, Medienressortleiter der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Das erste Wort ergriff dann Borris Brandt, Generel Manager Endemol Deutschland. Sein Lieblingsthema auch an diesem Montagnachmittag: "Big Brother". Längst sei das Format kein reines Reality-TV mehr. Viel mehr würden sich Reality-Elemente mit DokuSoap-Elementen vermengen. Für das kommende Jahr und "Big Brother 6" kündigte er an: "Big Brother 6 wird schon etwas anders werden, nicht nur Big Brother 5 mit einer 6 dahinter."
Scherzhaft verwundert zeigte sich Brandt, dass Kurt Beck (Rheinland-Pfälzischer Ministerpräsident) mittlerweile gar nicht mehr laut aufstöhnt, wenn in den Medien wieder von "Big Brother" die Rede ist. Dabei hatte Endemol-Kopf Brandt einmal gesagt: "Erfolgreich wird's wenn Kurt Beck sich in der ersten Woche meldet". Mit Politik habe er aber ohnehin nicht so viel Glück: Gerne hätte er eine Art Politiker-Castingshow probiert. "Leider hat mich keiner machen lassen", so Brandt.
Ute Biernat, Geschäftsführerin Grundy Light Entertainment, wehrte sich gegen den Vorwurf, das Genre Castingshow sei verbrannt. "Castingshows sind nicht tot", so Biernat deutlich. Aber: "Gesungen haben wir dieses Jahr genug". Sie könne sich aber zum Beispiel sehr gut eine Art Fußball-Castingshow vorstellen. Konzepte dazu lägen derzeit auf ihrem Schreibtisch. Konkreteres wollte sie dazu allerdings nicht sagen.
Eine etwas andere Casting-Erfahrung hat Sony Pictures im letzten Jahr mit "Die Casting Agentur" bei ProSieben gemacht. Anfangs setzte man, so Geschäftsführerin Christiane Ruff, voll auf die Bilder der Castings und die Anziehungskraft der schrägen Typen. Doch schnell zeigte sich, dass mit konstruierten Geschichten rund um den Alltag der Agentur viel bessere Quote zu machen sei.
Die Produktionsfirma Blue Eyes, bislang Haus- und Hoflieferant von RTL II, sieht die Zukunft in familien-affinen Themen, so wie man es bei "Schnulleralarm" z.B. schon umsetze. Aber Geschäftsführer Martin Hussmann ergänzte im Hinblick auf das Format "Die Alm": "Wir sind stolz jetzt auch für ProSieben zu produzieren".
Wo sieht ProSieben-Unterhaltungschef Jobst Benthues die neuen Trends? Zum einen setzt er auf "Comedy auf der Straße". So wird derzeit von Prime Productions die dritte Staffel des Formats "Comedystreet" produziert und zwei weitere Formate dieser Art sind ebenfalls in der Mache. Der zweite immer noch anhaltende Trend für Benthues: Die Real People-Formate. Deswegen wird ProSieben Ende August/Anfang September mit der nächsten "Popstar"-Staffel starten. Eine Studio-Castingshow wie etwa "Comeback" werde man aber sicher nicht mehr machen.
Für "Nikola"-Fans gibt es schlechte Nachrichten: Wie Sony Pictures-Chefin Christiane Ruff verriet, wird die Serie nach der kommenden neunten Staffel eingestellt. Neue Comedy-Piloten habe man aber selbstverständlich bereits in der Mache.
Ein interessantes Thema des Panels auf dem Rheinschiff MS Rheinenergie: Das Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Programme zu Comedy- und anderen jungen Formaten. Sowohl Endemol als auch Blue Eyes können sich Zusammenarbeiten gut vorstellen, allerdings stellt Georg Hirschenberg, Geschäftsführer Prime Productions fest: "ARD und ZDF haben sich von der Comedy verabschiedet". Seine derzeitige ZDF-Auftragsproduktion "Nachgetreten" sei da eine rühmliche Ausnahme.
Auch der Fall Arabella Kiesbauer wurde nicht ausgeklammert. Moderator des Panels, Michael Henfeld, konfrontierte ProSieben-Unterhaltungschef Benthues mit einem Zitat von Frau Kiesbauer. Auf die Vorfälle hin erinnerte Benthues an "seit zwei Jahren sinkende Quoten der Talkshow". Deshalb: "Mit 'Das Geständnis' hätte man Kiesbauer wieder ins Gespräch bringen können. Das wäre dann für Kiesbauer auch die Möglichkeit gewesen, irgendwann wieder in die PrimeTime zu kommen."
Grundy Light Entertainment-Chefin Ute Biernat entwickelte im Hinblick auf die Digitalisierung die spontane Idee einer Art "Produzentenkanal", auf dem sich die Produktionsfirmen Sendeplätze einkaufen und diese dann selbstveranwortlich vermarkten und damit auch das volle Risiko tragen. Ähnliches hatte auch schon UFA Film & TV-Chef Wolf Bauer bei einer anderen Veranstaltung des medienforum.nrw angedacht.
Noch immer war der bestimmende Trend der kommenden Saison allerdings nicht ausgemacht. Mit dem Format "The Swan" wurde dann allerdings schnell klar, was uns in den kommenden ca. zwei Jahren wohl programmlich erwarten wird: Die Schwemme der "Make over"-Shows steht an. Grundy Light Entertainment hat die Rechte am Format für Deutschland und will es umsetzen, da das Thema Schönheits-OP in Deutschland längst Realität sei und auf Interesse stosse. Immerhin gibt Chefin Ute Biernat zu: "Das wird keine intelligente Unterhaltung".
Noch schneller als die Umsetzung von "The Swan" will aber Borris Brandt das Thema Schönheits-OP umsetzen und überraschte damit alle Anwesenden: Er will Schönheits-Behandlungen im Rahmen von "Big Brother" zeigen. "Menschen werden ein bißchen verändert, mit ein bißchen neuer Frisur, ein bißchen Operation", umschreibt er harmlos. Das wird ganz "charmant", so Brandt.
Shows wie "Peking Express" die RTL derzeit produziert, haben sich nach Ansicht von ProSieben-Unterhaltungschef Benthues überlebt: "Die Adventure Welle liegt hinter uns". Er setzt für den ProSieben-Erfolg auf junge Gesichter wie Schöneberger, Pocher, Roche oder auch Showprakti Elton". In der kommenden Saison setzt ProSieben im Bereich Entertainment auf weitere Ausgaben der "100 nervigsten..", eine oder mehrere "WOK-WMs", ein neues Format mit Bully Herbig sowie "Rent a Pocher" mit verlängerter Sendezeit.
Schon Ende Juli startet die neue Live-Comedyshow "Freispruch - Die Comedyjury". Gastgeber Ingolf Lück bespricht mit illustren Gästen die aktuellen Themen der Woche. Sendetermin der neuen Show: Immer am Montagabend um 20.15 Uhr. Georg Hirschenberg von Prime Productions ergänzt für ProSieben noch die Wahl der "100 nervigsten Deutschen 2004" am Ende des Jahres. Darüber hinaus arbeite man in seiner Firma an einer spannenden Real-Umsetzung der Geschichte "Urmel auf dem Eis" mit Comedians.
Während Endemol-Kopf Borris Brandt nichts über neue Formate verraten will, da sie dann zu schnell kopiert werden würden, verrät Ute Biernat, dass Grundy Light Entertainment neben "The Swan" an zwei neuen Mix-Formaten aus Fiction/Non-Fiction arbeitet. Eins davon soll sich im Crime-Gebiet ansiedeln und die Brücke schlagen zwischen Formaten wie "Lenßen & Partner" auf der einen und Reportagen wie "24 Stunden" auf der anderen Seite.
Bei Sony Pictures arbeitet man für den Oktober an einem Comedy-Piloten und für das kommenden Jahr an einer einstündigen Drama-Serie. Auch die Entwicklung auf dem Gebiet der Telenovelas verfolge man sehr interessiert, so Chefin Christiane Ruff. Sie seien gerade wegen der Überschaubarkeit sehr attraktiv.